DER Slam-Poet »SIMPANSE« BRINGT LESE- UND BÖLKSTOFF GEKONNT ZUSAMMEN


Ich denke, der Mensch ist ein Affe.

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Simeon Buß wurde 1987 in Unna geboren. Seit 2013 bereist er die deutschsprachigen Slam-Bühnen, stand seitdem häufig im Teilnehmerfeld der deutschsprachigen Meisterschaften und wurde 2015 Landesmeister im Poetry Slam für Bremen und Niedersachsen. Ausgezeichnet mit zahlreichen ersten Plätzen bei Poetry Slams präsentiert er sein Programm auf Kabarettbühnen und in Solo-Shows. Seine Dichtkunst hat ihn bereits nach Kuala Lumpur, Hongkong und Findorff geführt. Buß hat einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft und ihre Schattenseiten – fast liebevoll schaut er hingegen auf die einzelnen Menschen und ihre Geschichte. In der Bremer Szene ist er mit einer weiteren Veranstaltungsreihe bekannt. Mit seiner außergewöhnlichen Leseshow »Lesen für Bier« bringt er Lese- mit Bölkstoff als »zwei der schönsten Dinge der Welt« in einer vollendeten, endgültigen Symbiose zusammen. www.simpanse.de

 


Simeon, Du bist deutschlandweit bekannt als Poetry Slam-Autor. Viele wissen nicht, was das ist. Also fragen wir Dich gleich mal: Was ist eigentlich Poetry Slam ?

 

Ein Poetry Slam ist ein moderner Wettstreit unter DichterInnen, bei dem PoetInnen gegeneinander antreten. Dabei gibt es drei Regeln, die sie befolgen müssen. Regel Nummer Eins besagt: Es müssen selbstgeschriebene Texte sein. Nach Regel Nummer Zwei dürfen auf der Bühne keine Verkleidungen und Requisiten genutzt werden. Und Regel Nummer Drei ist ein festgeschriebenes Zeitlimit, das von Slam zu Slam unterschiedlich ausgelegt wird. Die Länge eines Poetry Slam-Textes umfasst in der Regel fünf bis sechs Minuten. Es gibt auch richtige Meisterschaften. Anfang November fand zum Beispiel die deutschsprachige Meisterschaft in Zürich statt.

 

Sind Deine Texte mehr Slam oder mehr Poetry ? Oder beides ?

 

Tatsächlich sind meine Texte mehr Kabarett. Sie sind politisch, aber auch lyrisch. Diese Mischung versuche ich hinzukriegen.

 

Gibt es bestimmte Themen, die Dich besonders interessieren oder die Dir besonders wichtig sind ?

 

Alles worüber ich schreibe sind Themen, die mir besonders wichtig sind. Es geht viel um soziale Ungerechtigkeit und die Ungleichheit in dieser Gesellschaft. Und es geht um ein bisschen Revolution und ein bisschen Reformation des politischen Systems, in dem wir leben – und auch darum, linke Standpunkte so zu vertreten, dass sie für Menschen, die eigentlich nichts damit am Hut haben wollen, einleuchtender klingen.

 

Wie entstehen Deine Texte ? Im stillen Kämmerlein oder wie bei Erich Kästner im laut lärmenden Café ?

 

Sowohl als auch. Manchmal stehe ich auf einer Party, habe eine Idee und tippe die in mein Handy und keiner darf mich mehr ansprechen. Ich schreibe aber auch in Ruhe zu Hause. Und ich sitze viel im Zug, weil ich sehr viel unterwegs bin. Da sitze ich dann sechs Stunden im Zug – und was soll ich da groß machen ? Ich nutze die Zeit zum Schreiben, wenn gerade keiner neben mir sitzt. Laptop-Bildschirme ziehen die Leute scheinbar magisch an. Ich schreib dann schon immer: »Bitte nicht auf den Bildschirm gucken: Das ist unhöflich !« Es nützt aber nichts !

 

Was ist eigentlich Dein Lieblingstier ?

 

Ich liebe Hunde. Ich weiß, Du hättest jetzt gerne »Affe« gehört, nehme ich an. Ich mag Affen sehr gern, aber ich liebe Hunde. Hunde begeistern mich einfach mit allem, was sie tun. Die

sind so trottelig und lieb dabei. Es gibt keine bösen Hunde, außer das Herrchen hat es böse gemacht.

 

Ich frage in der Tat auch, weil Dein Künstlername »Sim Panse« ist. Passt der Name überhaupt, denn als engagierter Künstler ist Dir sicherlich nicht alles Banane ?

 

Der Name ist als Pseudonym für meinen »facebook«-Account entstanden. Daraufhin hat mich ein Moderator auf der Bühne einfach so bezeichnet. Ich habe den Namen aus dem simplen Grund angenommen, weil ich denke, dass der Mensch ein Affe ist. Wir sind trotz allen freien Willens und Intellekts sehr instinktgeleitete Tiere. Sich dieser Tierlichkeit immer wieder bewusst zu sein, finde ich hilfreich, um manches zu verstehen.

 

Du lebst in Bremen im Stadtteil Schwachhausen. Ist Bremen ein gutes Pflaster für Slam-Poeten ?

 

Bremen ist ein gutes Pflaster, weil wir in der Stadt mit dem »Slam-Bremen« einen der ältesten Slams Deutschlands haben. Der ist eine echte Hausnummer ! Und da wir eine kleine und kompakte Szene sind, können wir sehr nett zusammen arbeiten. Es ist alles miteinander abgesprochen. Außerdem gibt es in Bremen ein beständiges, wohlwollendes Slam-Publikum. 

 

Du bist als Nachfolger von Tom Grote der neue Kolumnist für FINDORFF GLEICH NEBENAN. Hast Du Dich aus dem bürgerlichen Schwachhausen schon nach Findorff gewagt ?

 

Ja ! Ich bestelle sehr regelmäßig bei »Asia Nha Trang« in der Hemmstraße. Das ist der beste Lieferservice in Bremen und der sitzt in Findorff ! Dort gibt es sehr leckere asiatische Gerichte. Im Schlachthof bin ich schon öfter aufgetreten. Und auch in der »veganbar« finde ich es ausgesprochen nett. Ich hätte schon einmal fast in Findorff gewohnt. Ich habe mir im Stadtteil eine WG angeschaut, bin aber letztendlich nicht eingezogen, weil ich gemerkt habe, dass ich lieber alleine wohne. Wenn ich fünf Tage in der Woche auf Tour bin, möchte ich zuhause nicht schon wieder so viele Menschen um mich haben.

 

Auf einigen Fotos präsentierst Du Dich lässig mit Zigarette im Mundwinkel und ein wenig unausgeschlafen aussehend. Ist man als Slam-Poet besonders cool oder ist das Leben als Slam-Poet so anstrengend, dass es nur mit ganz viel Zigaretten und Alkohol auszuhalten ist ?

 

Ich bin besonders cool ! (grinst) Tatsächlich hast Du innerhalb einer Szene von Menschen, die gerne auf die Bühne gehen, ein hohes Aufmerksamkeitspotential und damit zusammenhängend zum Teil auch ein hohes Suchtpotential. Es gibt innerhalb der Slam-Szene viele Menschen, die viel rauchen. Außerdem gibt es überall Freibier. Oft sind die KünstlerInnen auch noch sehr junge Leute, die nach dem Slam Spaß haben und die am nächsten Morgen nichts zu tun haben, weil erst abends die nächste Veranstaltung ist. So trinkt man noch zwei, drei Bier und ist ein bisschen unausgeschlafen. Auf den Fotos mit der gesunden Banane sehe ich übrigens gleich wesentlich wacher aus ! 

 


Es macht Spaß. Du siehst viel von der Welt..

 

Du gibst Workshops im »Kreativen Schreiben«. Was vermittelst Du den TeilnehmerInnen ?

 

Das ist abhänging von der Zeit, die ich habe. Ich gebe unter anderem Workshops, die sich an SchülerInnen richten. Ich möchte in den Workshops durch kleine Schreibübungen vermitteln, dass jeder schreiben kann. Es geht mir darum, nicht nur bei Kindern Blockaden und Ängste aufzubrechen. In den längeren Workshops erarbeite ich mit den TeilnehmerInnen ein Konzept für einen Text – als Richtschnur, an der sie sich beim Schreiben orientieren können. Das hilft ganz vielen Leuten. Es kommt natürlich noch der Slam Poetry-Gedanke mit hinein. Ich mache mit den TeilnehmerInnen Vorlese- und Stimmübungen – und auch ganz einfache Dinge, die man auf der Bühne gut gebrauchen kann: Wie benutze ich ein Mikrofon ? Was kann ich noch neben meiner Stimme benutzen, wenn ich einen Text vorlese. Es geht darum, dass alle Spaß daran haben, etwas vorzulesen und das nötige Selbstvertrauen dazu entwickeln. Wenn man mit Schulen arbeitet, hat man heute Kinder, die wenig lesen und schreiben. An einem Gymnasium habe ich neulich gefragt, wer denn noch Bücher liest. Das waren etwa die Hälfte der SchülerInnen. Die anderen spielen lieber Videospiele oder schauen Serien. Genauso groß ist natürlich auch der Abstand zum Schreiben geworden. Schreiben kennen die SchülerInnen nur noch durch Aufsätze und Hausarbeiten, die sie machen müssen. Ein Grund ist sicher auch die Ökonomisierung von Schule. Als ich in der elften Klasse war, hatten wir ein halbes Jahr »Kreatives Schreiben«. Das hat mich unheimlich gepusht und auch auf den Weg gebracht, mit meinen Texten irgendwann als Slam-Poet aufzutreten. Dafür bin ich meiner Lehrerin immer noch dankbar. Jemanden intensiv zu unterstützen – dafür haben die LehrerInnen heute einfach keine Zeit mehr. Das ist vorbei. 

 

Deine Tätigkeit als Slam-Lehrer hat Dich auch nach Kuala Lumpur, Tokyo und Hongkong geführt. Fühlst du Dich als »Sim Panse« im asiatischen Raum besonders wohl ?

 

Nein, nicht wirklich. Tatsächlich war es in Japan eine richtig anstrengende Woche, weil ich nach der Ankunft völlig gejetlagt war. Als Vegetarier hatte ich Probleme, überhaupt etwas ohne Fleisch zum Essen zu finden. Kuala Lumpur hingegen war einfach großartig – da will ich auch auf jeden Fall wieder hin. Dort war meine erste Erfahrung, dass es in der Nähe unseres Hostels eine Straße ausschließlich mit vegetarischen Restaurants gab. Hongkong widerum ist mir einfach zu groß. Diese Reisen sind über einen Freund möglich geworden. Er hat eine Agentur, die sich »Die Zeilenschmiede« nennt. Gemeinsam vermitteln wir KünstlerInnen weltweit an Goethe-Institute, die Workshops für Schreiben geben. In den nächsten Jahren stehen auch wieder einige Projekte an. Es macht Spaß. Du siehst viel von der Welt.

 

Auf Deiner Internetpräsenz kann man nachlesen, dass Du als Jugendlicher Kinderbuchautor werden wolltest …

 

Das will ich immer noch !

 

Welche künstlerischen Ziele hast Du noch ?

 

Mein künstlerisches Ziel Nummer Eins ist: Wenn die AfD an die Macht kommt, dann will ich einer der ersten KünstlerInnen sein, die verboten werden. Die werden definitiv Kunst verbieten. Hoffen wir einfach, dass diese Leute nicht an die Macht kommen. An einem Kinderbuch schreibe ich gerade. Den Anfang für die Geschichte hatte ich auf einen Block geschrieben und den Block habe ich liegen gelassen. Das ärgert mich ziemlich, denn es war ein sehr schöner Anfang. Aber ein Kinderbuch werde ich definitiv noch schreiben. Drehbücher würde ich auch gern schreiben – und Theaterstücke. Ein Roman steht ganz hinten auf der Liste. Zur Zeit arbeite ich daran, in die Kabarett-szene einzusteigen. In spätestens zwei Jahren möchte ich ein eigenes Solo-Programm für die Bühne erarbeitet haben und damit auftreten. Es gibt schon ganz viele Ideen und Programmanfänge in meinem Kopf. Auch kann ich das, was ich bisher im Slam-Bereich gemacht habe, wunderbar dafür verwenden. Vieles davon ist auch für das Kabarett Eins-zu-Eins kompatibel.

 

In der Neustadt, einem bekannten Nachbardorf von Findorff, veranstaltest Du einmal im Monat »Lesen für Bier«. Wie geht das und wann und wo kann man Dich dort live erleben ?

 

»Lesen für Bier« findet in der Kulturkneipe »Gastfeld« statt. Es funktioniert folgendermaßen: Ich muss nicht arbeiten, da ich nichts vorzubereiten habe. Ich komme an dem Abend einfach und das Publikum bringt mit, was wir als Slam-Poeten vorlesen. Ich lade mir dafür immer einen Gast ein und dann können die Leute nach und nach ihre Texte einreichen. Wir lesen die dann im Wechsel vor. Das Publikum darf uns dazu Regieanweisungen geben – und wir spielen mit jedem Text um ein Bier. Das heißt, wenn die Performance besser ist als der Textinhalt, dann gibt es ein Bier für uns. War ein Text inhaltlich besser als die Performance, mit der wir ihn vorgelesen haben, dann gibt’s ein Bier für den Besucher oder die Besucherin. Das macht viel Spaß !

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Interview: Benjamin Krause, Foto: Kerstin Rolfes, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 8, 2018

 

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© Kerstin Rolfes