Christian Clausen (44) ist Inhaber und geschäftsführender
Gesellschafter der »Ambulanten Pflegeservice Bremen GmbH« mit Standorten in Findorff und Bremen Nord. Kein Scherz: Am 1. April stellte Clausen Menschen in Findorff gut organisiert und kommuniziert 500 x Desinfektionsmittel kostenlos zur Verfügung. Die waren nach wenigen Stunden vergriffen. Comic-Fan Clausen ist »Hulk« und lebt mit »Superwoman« in Niedersachsen. Privat macht er Wassersport, grillt gern im Sommer gern oder reist in der Welt herum, was momentan leider etwas seltener vorkommt. Mehr Infos über die »Ambulanten Pflegeservice Bremen GmbH« auf www.pflegeservice-bremen.de
Herr Clausen, Sie sind Geschäftsführer des »Ambulanten Pflegeservice« in Findorff. Wir werden alle älter oder haben Eltern, die irgendwann auf Hilfe im Alltag angewiesen sind. Ab wann ist im Alter ein ambulanter Pflegeservice sinnvoll?
Unabhängig vom Alter ist ambulante Pflege immer dann sinnvoll, wenn eine grundpflegerische oder behandlungspflegerische Unterstützung notwendig wird, beispielsweise bei körperlichen Einschränkungen, die Verunsicherungen in der Alltagsroutine zur Folge haben.
Der Slogan des »Ambulanter Pflegeservice« heißt: »Nicht nur Pflege – sondern Service«. Welche Leistungen bieten Sie an?
In der ambulanten Pflege bieten wir das gesamte Spektrum an Leistungen an. Dazu zählen Essenszubereitung, Körperhygiene, Unterstützung in der Haushaltsführung, Wundversorgung, Medikamente stellen und deren Gabe, Injektionen, Blutzuckerkontrolle, aber auch Hilfe beim An- und Ausziehen zu Beispiel von Kompressionsverbänden oder -strümpfen. Mit Zusatzleistungen unterstützen wir bei administrativen Tätigkeiten wie Antragstellungen und Formularen, Korrespondenz mit den Kranken- und Pflegekassen, beraten zur passenden Einstufung in Pflegegrade und leisten auch das Verordnungsmanagement mit den verantwortlichen ÄrztInnen und vieles mehr.
In Bremen gilt jedeR Vierte als arm. Nirgendwo in Deutschland ist die Armutsgefährdungsquote höher. Heißt: Auch im Alter haben bei uns sehr viele Menschen sehr wenig Geld. Kann sich jedeR, der Bedarf hat, einen ambulanten Pflegeservice leisten – oder gibt es in jedem Fall staatliche Unterstützung?
Können die Kosten nicht durch den Pflegebedürftigen selbst getragen werden, gibt es staatliche Unterstützung, die eine optimale pflegerische Versorgung jederzeit gewährleistet. Die landläufige Befürchtung, dass Angehörige wie die Kinder oder Enkel finanziell belastet werden, hat der Gesetzgeber zuletzt erfreulicherweise an deutlich höhere Einkommensgrenzen angepasst.
Wie nehmen Sie als Pflegedienst im Stadtteil die weiterhin gegebene Corona-Ausnahmesituation momentan wahr?
Flexibilität, Konzentration und gewissenhafte Arbeitsweise sind jetzt noch mehr gefragt als je zuvor, um unsere PatientInnen und MitarbeiterInnen vor einer Infektion zu schützen. Wir halten auch weiterhin im Stadtteil zusammen – und jedeR kann und sollte sich einbringen, mit dem, was man am Besten kann.
Die Findorffer Geschäftswelt war zeitweise stillgelegt, aber die Pflege war und ist gefordert wie nie zuvor. Unterstützt man sich?
Ja, das funktioniert in meiner Wahrnehmung auf kurzen Wegen und mit den richtigen AnsprechpartnerInnen im Kleinen sehr gut. Jammern liegt mir nicht – und eine solche Haltung können wir uns als Pflegedienst im Berufsalltag auch gar nicht erlauben. Ich möchte sinnvoll praktisch helfen und ein positives Zeichen setzen. Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, meinem gesamten Team für die hervorragende Arbeit ein ganz großes Dankeschön zu sagen. Ich bin wahnsinnig stolz auf Euch!
Wie ist Ihre Position zum Pflegenotstand in Deutschland?
Die aktuelle Situation wird ein »Weiter so !« wie bisher kurzbis mittelfristig nicht zulassen. Das ist zum einen bedingt durch den demographischen Wandel. Zugleich scheiden die geburten-
starken Jahrgänge in der Pflege aus dem Berufsleben aus. Diese Entwicklung führt nicht nur zu weiteren Personalengpässen. Die Attraktivität der Tätigkeit, insbesondere der Pflegeberufe, genießt in der Gesellschaft keinen hohen Stellenwert. Die mangelnde Wertschätzung liegt meines Erachtens in der Unkenntnis des umfangreichen, abwechslungsreichen und verantwortungsvollen Aufgabenspektrums von Pflegekräften. Aktuell werden sie als systemrelevant gehypt, jedoch sind PflegerInnen zu jeder Zeit für viele Menschen überlebenswichtig.
Warum ist es schwierig, in Deutschland Pflegekräfte zu finden?
Pflegedienste arbeiten 24/7, also sieben Tage vierundzwanzig Stunden die Woche. Aufgrund des Personalmangels müssen immer weniger Pflegekräfte immer mehr Arbeitsaufkommen bewältigen, da die PatientInnenzahlen stetig steigen. Zudem steht die aktuelle Vergütung nicht in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Arbeitsleistung und den hohen Anforderungen, die diese Tätigkeit mit sich bringt. Eine Möglichkeit höhere Stundenlöhne zu bezahlen und bessere Personalschlüssel zu realisieren, ergäbe sich zum Beispiel durch eine minimale Erhöhung der Beiträge in den Kranken- und Pflegeversicherungen. Der Gesetzgeber soll dafür den rechtlichen Rahmen schaffen, dass diese Einnahmen unmittelbar für mehr Personal und bessere Vergütung eingesetzt werden. Zu keiner Zeit war die Gesellschaft mehr bereit als heute, die unbedingt notwendigen Maßnahmen mitzutragen.
Welche Wege gehen Sie, um Personal für die häusliche und ambulante Pflege in Findorff und umzu zu finden?
Wir posten freie Stellen und Ausbildungsplätze in den sozialen Medien, auf unserer Homepage und in der regionalen Presse. Wir freuen uns auch immer sehr, wenn unsere MitarbeiterInnen uns als Arbeitgeber weiterempfehlen. Unsere Vergütung ist übertariflich. Wir bezahlen eine jährliche Prämie, zudem bieten wir vermögenswirksame Leistungen, einen Dienstwagen, auch zur privaten Nutzung, sowie betriebliche Altersvorsorge und eine zusätzliche betriebliche Krankenversicherung.
Geschäftsführer eines Pflegeservice zu sein heißt sehr viel auf allen Ebenen zu kommunizieren und am Alltag von ganz verschiedenen Menschen nah dran zu sein. Muss man dafür als »Kommunikator« geboren sein – oder lernt man im Beruf, auch in schwierigen Situationen, die sicherlich sehr individuelle Problemlösungen erfordern, cool zu bleiben?
Die täglichen Herausforderungen erfordern für die Geschäftsführung nicht nur eine besondere Kommunikationsstärke – und in der Pflege zählen auf allen Ebenen zugleich natürlich große Empathie und Fürsorge für die PatientInnen, aber auch für die MitarbeiterInnen. Diese Eigenschaften verbunden mit Pragmatismus und Herzblut sollte man für die tägliche Praxis unbedingt mitbringen. Jeden Tag gibt es für uns immer wieder kleine oder große Herausforderungen – und der gemeinsame Erfolg mit einem tollen Team ist meine tägliche Motivation. Auch die Liebe zu den Menschen, wie unterschiedlich sie auch sein mögen, und ganz viel Lebensfreude gehören für mich unbedingt dazu.
Stichwort »Lebensfreude« in schwierigen Zeiten: »Too Old To Rock ‘n‘ Roll, Too Young To Die« – das war gestern. Sie haben mir im Vorgespräch zu diesem Interview erzählt, dass Sie gern auf das angekündigte Konzert der Helden Ihrer Jugend, der amerikanischen Hard-Rock-Band »Guns n‘ Roses« gegangen wären, aber das findet coronabedingt in diesem Jahr nicht statt. Ist die Begeisterung für Musik eine Möglichkeit, um zum stressigen Beruf privat Ausgleich zu finden und ganz andere Welten zu erleben?
Mit der Band und Ihrer Musik verbinde ich ganz spezielle Erinnerungen an meine Jugend hier in Bremen. Der ein oder andere Song erinnert mich an besondere Personen in meinem Leben. Die besondere Atmosphäre bei Open-Air-Konzerten genieße ich immer sehr.
Wie möchten Sie selbst alt werden und im Alter leben ?
Natürlich wünsche auch ich mir gemeinsam mit meiner Familie im Alter gesund und vital zu sein – und einen abwechslungsreichen Lebensabend zu verbringen. Gerne werde ich im Fall der Fälle mein eigener Kunde, denn auf meine MitarbeiterInnen
kann ich mich jederzeit verlassen.
Interview: Mathias Rätsch, Foto: © Kerstin Rolfes