Cornelia Wiedemeyer Leitet das Ortsamt WEST


Einige Themen benötigen viel, viel Arbeit.

Jörg Lochmon ist im Kulturzentrum Schlachthof mit zuständig für das Programm in Bremen Findorff Findorffer Geschäftsleute Magazin Stadtteil Bremen Einzelhandel Gastro Restaurants essen gehen

Cornelia Wiedemeyer leitet seit Mai 2023 das Ortsamt West im Walle-Center – und postet regelmäßig Infos zur Lokalpolitik im Bremer Westen online auf www.facebook.com/OALCW. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder und drei Enkelkinder. Privat erholt sie sich gern im Kleingarten in der Waller Marsch. Im Miteinander sind ihr Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Wertschätzung und Respekt wichtig. Mathias RätschHerausgeber von FINDORFF GLEICH NEBENAN, sprach mit Cornelia Wiedemeyer zu Findorffer Stadtteilthemen vor Ort im Ortsamt West

 


Frau Wiedemeyer, viele Menschen wissen gar nicht, was ein »Ortsamt« ist. Auf den Punkt gebracht: Was leisten Sie und Ihr Team im Ortsamt West für die BürgerInnen?

 

Das Ortsamt ist in erster Linie die Schnittstelle zwischen den ehrenamtlichen Beiräten, die alle vier Jahre demokratsisch gewählt werden, und den senatorischen Fachbehörden. Wir unterstützen die Beiräte in ihrer Arbeit.

 

Der neu aufgestellte Beirat Findorff hat seit Herbst 2023 die Arbeit aufgenommen. Jemand bezeichnete den Beirat einmal als verlängerten Arm des Bremer Senats. Ist das so ? 

 

Dieser Aussage muss ich ganz vehement widersprechen. Beiratsmitglieder sind demokratisch frei gewählte MandatsträgerInnen. Allerdings muss man wissen, dass die Möglichkeiten der Beiräte, Einfluss zu nehmen, sehr gering sind.

 

Was kann der Beirat Findorff tatsächlich bewirken ?

 

Der Beirat Findorff ist in allen Angelegenheiten, die den Stadtteil betreffen, einzubinden, was in unterschiedlicher Intensität geschehen kann. Das geringste Recht, welches ein Beirat hat, ist das Recht auf Information. Das heißt: Der Beirat ist zu informieren. Das nächste Recht ist das Beteiligungsrecht. Der Beirat ist anzuhören – und er kann Stellungnahmen abgeben. Außerdem gibt es noch das Entscheidungsrecht über Sachverhalte, die dem Beirat obliegen. Die Sachverhalte, über die tatsächlich auch entschieden werden darf, sind allerdings sehr beschränkt. Der Beirat darf zum Beispiel über kleinere Verkehrsmaßnahmen entscheiden, oder ob irgendwo im Stadtteil Poller gesetzt oder Fahrradbügel aufgestellt werden sollen. Orientiert an bestimmten rechtlichen Vorgaben hat der Beirat zudem für die Vergabe von Globalmitteln freie Hand – und kann Vereine, Institutionen, Initiativen oder engagierte Personen im Stadtteil für Investitionen oder Aktivitäten monetär unterstützen. 

 

Wie empfinden Sie als Ortsamtsleiterin den Beirat Findorff ?

 

Die Mitglieder im Beirat Findorff empfinde ich als sehr engagiert. Der aktuelle Beirat steht vor einer besonderen Herausforderung, weil es mit der Wahl 2023 erhebliche personelle Wechsel gegeben hat. Nicht nur ich als Ortsamtsleiterin bin neu, sondern auch viele Mitglieder und AusschusssprecherInnen sind neu.

 

Sie haben den Beiratsmitgliedern in Gröpelingen, Walle und Findorff zu Beginn der Legislatur einen Workshop angeboten. Warum – und wie wurde Ihr Angebot angeommen ?

 

Ich habe jeweils für jeden der Stadtteile, für die das Ortsamt West zuständig ist, einen Workshop angeboten. Mir ging es darum zu vermitteln, wie es mit den Rechten, aber auch den Pflichten von Beiratsmitgliedern aussieht. Weitere Inhalte waren: Was ist die Aufgabe des Ortsamtes ? Wie wollen wir zusammenarbeiten ? Aber es ging mir auch darum, sich auf Themen zu verständigen, von denen wir gemeinsam davon ausgehen können, dass diese Themen uns in dieser Legislaturperiode beschäftigen werden – unabhängig davon, wie man parteipolitisch dazu steht. Bei vielen Themen ist es nicht damit getan, dass man sich einmalig ReferentInnen einlädt, zuhört – und das war es dann. Man muss sich klarmachen: Einige Themen benötigen viel, viel Arbeit und vor allem eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung , auf Seiten des Ortsamtes und des Beirats. Man muss sich mit diesen Herausforderungen intensiv beschäftigen. Die Workshops wurden gut angenommen. Sie haben sicherlich die Zusammenarbeit in den Beiräten, aber auch zwischen den Beiräten, in den verschiedenen Stadtteilen im Bremer Westen im Sinne der BürgerInnen gestärkt. 

Sie haben zu Ihrer Bewerbung gesagt: »Ich würde gerne mit dem Team des Ortsamtes meinen Teil dazu beitragen, dass die Arbeit der Beiräte noch mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung kommt.«

 

Können Sie diesen Anspruch konkretisieren ?

 

Es geht um eine offensive Öffentlichkeitsarbeit der Beiräte. Mein Team und ich möchten gerne dazu beitragen, dass die BügerInnen zukünftig auch merken: Was macht eigentlich der Beirat in meinem Stadtteil ? Es haben sich erfreulicherweise Beiratsmitglieder gefunden, die sich vertieft Gedanken machen wollen, wie eine zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit zukünftig aussehen kann. Ich finde, dass Beiratsmitglieder nah an den Menschen sein sollten. In Walle gibt es seitens des Beirates im Walle-Center dafür Sprechstunden für BürgerInnen. Diese Dialogform ist als Beispiel ein richtig gutes Format. 

 


Die Probleme in Findorff sind anderer Natur.

Der Beirat Findorff ist in der Kommunikation von aktuellen lokalpolitischen Themen, Inhalten und verschiedenen politischen Positionen seit Jahren fatal schlecht aufgestellt. Auch die Mehrheit der im Beirat Findorff vertretenen Parteien kommuniziert mehrheitlich miserabel. Einige Parteien schaffen es seit Jahren noch nicht einmal, als absolute »Basics« die Einladungen zu den Beiratssitzungen zu posten. Warum gibt es dieses Beharrungsvermögen, Beiratssitzungen nicht frühzeitig und regelmäßig über eigene digitale Kanäle online anzukündigen ?

 

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann für das Ortsamt nur sagen, dass wir die Einladungen sofort mit den dazugehörigen Themen öffentlich machen – und für alle BürgerInnen sichtbar auf unserer Internetpräsenz einpflegen. Ich weiß allerdings auch, dass unsere Homepage nicht wirklich der Renner ist. Man kann tatsächlich noch mehr machen. Jüngere Menschen informieren sich heute über ganz andere Kanäle. Ältere Menschen nutzen das Internet teilweise gar nicht. Für eine bessere Kommunikation, die mehr Menschen erreicht, müssen sich die Parteien und Fraktionen besser aufstellen. Das ist aber nicht Aufgabe des Ortsamtes. Wir machen das, wozu wir verpflichtet sind – und sicherlich auch ein wenig mehr. Ich kann nur anbieten, dass wir aktuelle Themen aus den Beiräten auf unserer Internetpräsenz online stellen. Aber ein solches Angebot setzt voraus, dass die Beiräte die redaktionelle Aufbereitung dieser Themen übernehmen. Das können, wollen und werden wir hier mit unseren begrenzten Kapazitäten nicht leisten. 

 

Theoretisch ist alles klar. Ich lese seit 2018 im »Leitbild und Kriterien der Bürgerbeteiligung in Bremen« lauter Sätze voller Anspruch wie »Bremens Bürgerinnen und Bürger, die Beiräte, die Stadtbürgerschaft und der Senat sowie die Verwaltung begreifen gute Bürgerbeteiligung als bereichernden Austausch im politischen Entscheidungsprozess» und »Bremer Bürgerbeteiligung nutzt niedrigschwellige, offene und möglichst breite Beteiligungsformate.« Niedrigschwellige Beteiligungsformate heißt heute auch digitale Beteiligungsformate und Informationportale. Warum ist auf digitalen Wegen so wenig passiert, um mehr Menschen in Findorff und umzu für Lokalpolitik begeistern ?

 

Auch diese Frage kann ich Ihnen als Ortsamtsleiterin nicht beantworten. Zuständig sind die politischen Akteure vor Ort.

 

Fairerweise muss man sagen: Die politischen Akteure sind in diesem Fall nicht die Beiratsmitglieder. Wer sind die politischen Akteure, die für die tasächliche Umsetzung niedrigschwelliger Beteiligungsformate mittels der dafür notwenigen technischen Ausstattung zuständig sind ? 

 

Das Ortsamt ist eine Dienststelle der Senatskanzlei. Alle MitarbeiterInnen im Ortsamt sind Bedienstete der Senatskanzlei. Zuständig für das Ortsamt und dessen technische Ausstattung ist die Senatskanzlei. Technische Ausstattung benötigt finanzielle Mittel. Für eine Finanzierung ist der Haushaltsgesetzgeber zuständig, das ist die Bremische Bürgerschaft.

 

Beiratssitzungen sind für einen Stadtteil mit 25.000 Menschen miserabel besucht –  und ich sehe oftmals die wenigen gleichen Gesichter. Das Verhältnis zwischen unseren LokalpolitikerInnen und den FindorfferInnen ist offensichtlich keine Liebesbeziehung. Warum ist das so ?

 

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Nun können wir auch nicht alle 25.000 BewohnerInnen befragen, warum sie nicht zu den Beiratssitzungen kommen. Was ich sagen kann: Alle drei Stadtteile im Bremer Westen haben unterschiedliche Bevölkerungsstrukturen – und dementsprechend sind die auch die einzelnen Beiräte unterschiedlich aufgestellt. Es gibt in Gröpelingen und Walle Probleme, die wir in dieser Form in Findorff nicht haben. Zudem werden die Probleme in den Stadtteilen unterschiedlich wahrgenommen – und die Probleme in Findorff sind anderer Natur. Vielleicht sehen die FindorfferInnen deshalb nicht so die Notwendigkeit, sich mit Lokalpolitik zu beschäftigen. Anderseits habe ich bisher die Erfahrung gemacht, dass die FindorfferInnen beispielsweise bei überlaufenden Kellern durch Starkregen oder der Parksituation im Stadtteil sofort sehr präsent sind. Vielleicht hat man hier im Stadtteil auch ein größeres Wissenspotential, an wen man sich gleich bei den richtigen Stellen wenden muss, weil die dafür zuständig sind – ohne den Weg über den Beirat zu gehen, wodurch wir jedesmal involviert sind.

 

Sie haben sich bei Ihrer Bewerbung zur Ortsamtsleiterin die »Digitalisierung« auf die Fahne geschrieben. Was verstehen Sie unter Digitalisierung in der Lokalpolitik ? 

 

Digitalisierung hat mehrere Ebenen. Im Ortsamt haben wir schon Einiges umgesetzt, um Abläufe digital zu bewältigen. Ich muss nicht mehr mit drei dicken Ordnern auf Beiratssitzungen erscheinen, sondern klappe meinen mobilen Laptop auf.Auch der Austausch mit den Beiräten erfolgt mittlerweile nur noch digital. Für die Dokumentation nutzen wir das Datenmanagementsystem der bremischen öffentlichen Verwaltung. Ich unterstütze den Wunsch der Beiräte nach einheitlicher

technischer Ausstattung, entsprechenden Schulungen und einem Informationssystem, wie es die AbgeordnetInnen der Bremischen Bürgerschaft nutzen.

 


Wenn hybrid, dann richtig hybrid.

Mit fällt auf, das Sie nur die digitale Optimierung von internen Prozessen beschreiben. Der Fokus meiner Frage liegt woanders: Kommen wir deshalb nochmals auf niedrigschwellige, digitale Beteiligungsmöglichkeiten für die BürgerInnen an der Lokalpolitik zurück. Hybride Sitzungen, die lokal vor Ort und gleichzeitig in digitaler Form online stattfinden, wurden zuletzt wieder eingestellt. Hybride Sitzungen werden in anderen Bremer Stadtteilen längst erfolgreich praktiziert, aber nicht im Bremer Westen. Wieso nutzen andere Beiräte in Bremen längst die Technik, die man weiterhin nicht im Ortsamt West hat, das immerhin für über 90.000 Menschen in Gröpelingen, Walle und Findorff zuständig ist ? Wann werden hybride Sitzungen eingeführt  – die auch eine gute Lösung wären, um interessante ReferentInnen ortsunabhängig von überall dazuzuschalten ?

 

Ich stimme Ihnen zu. Auch ich würde lieber heute als morgen sofort hybride Sitzungen realisieren. Ich bin allerdings der Auffassung: Wenn hybrid, dann richtig hybrid – und keine Notlösungen mehr. Hybride Sitzungen müssen sicherstellen, dass der Austausch zwischen den BürgerInnen, ReferentInnen und dem Beirat technisch einwandfrei gegeben ist. Was wir bisher im Ortsamt West technisch hinbekommen haben, sind absolute Notlösungen, die sich schwierig gestaltetet haben – und die es mit mir als Ortsamtsleiterin so nicht noch einmal geben wird. Ich bin der Meinung: Ganz oder gar nicht ! Man braucht für gute Lösungen auch Personal. Die Videositzungen, die während der Coronazeit online realisiert wurden, waren keine hybriden Sitzungen, sondern Zoom-Konferenzen. Eine Zoom-Konferenz kann man natürlich jederzeit machen, aber das ist keine echte hybride Sitzung – und ich glaube, viele, die »hybride Sitzungen« in den Mund nehmen, haben keine Vorstellung davon, was dafür tatsächlich technisch erforderlich ist. 

 

Wer ist dafür verantwortlich und zuständig, hybride Sitzungen auf diesem Level einzuführen, wie Sie es sich vorstellen ?

 

Die Einführung eines professionellen Systems für zukünftige Videositzungen, die für alle Ortsämter gleiche Bedingungen für hybride Sitzungen schaffen könnten, muss über die Senatskanzlei laufen. Erforderlich sind neben der Technik eine entsprechende Software und personelle Unterstützung. Man darf vermuten, dass gegenwärtig dafür die finanziellen Mittel nicht vorhanden sind.

 

Wenn es Lösung geben würde, wäre die im Ortsamt West ?

 

So ist es. Auch wenn die FindorfferInnen dann wieder sagen: »Warum müssen wir nach Walle ins Ortsamt kommen ?«

 

Das sehe ich nicht so, weil »hybrid« könnte man sich ja auch niedrigschwellig und ortsunabhängig an der Sitzung beteiligen.

 

Einverstanden, aber dazu gibt es noch einen anderen Punkt zu bedenken: Es herrscht Anwesenheitspflicht. Die Beiratsmitglieder müssen in Präsenz anwesend sein. Wenn sie sich online

dazuschalten wollen, müsste im Ortsgesetz der rechtliche Rahmen für die Anwesenheitspflicht neu angepasst werden. 

 

Ist das notwendig ? Die hybride Beiratssitzung findet doch gleichzeitig wie gehabt nach wie vor auch analog in Präsenz statt. Die Beiratsmitglieder bleiben im Sitzungssaal weiterhin zur Anwesenheit verpflichtet. Auch BürgerInnen, die lieber analog vor Ort dabeisein möchten, könnten weiterhin zum Ortsamt in den Sitzungssaal gehen und live vor Ort teilnehmen. 

 

Beiratsmitglieder könnten dennoch auf die Idee kommen, sich online dazuschalten zu wollen. Wie gesagt: Das gibt das Ortsgesetz wegen der auf Anwesenheit ausgerichteten Formulierungen derzeit nicht her – und es müsste erst entsprechend angepasst werden. Es steht auch im Ortsgesetz, das BürgerInnen sich zu jedem Sachverhalt äußern können. Gilt das auch, wenn sich im Extremfall hunderte BürgerInnen dazuschalten und äußern wollen? Solche Punkte müssen durch den Gesetzgeber übergeordnet für alle Ortsämter rechtlich geklärt werden.

 

Werfen wir einen Blick auf die derzeitige Internetpräsenz des Ortsamtes West unter  www.ortsamtwest.bremen.de. Die Protokolle von Beiratssitzungen werden als vorläufige Dokumente zur Information der BürgerInnen nach drei Wochen hochgeladen und nach drei Monaten freigegeben. Muss das so sein ?

 

Der Zeitraum für die Abstimmung der Protokolle ergibt sich aus der Geschäftsordnung. Wir bemühen uns im Ortsamt, die Protokolle innerhalb einer Woche fertigzustellen. Danach erfolgt die Abstimmung mit den SprecherInnen des jeweiligen Fachausschusses oder des Stadtteilbeirats. Die verantwortlichen Beiratsmitglieder sind angehalten, möglichst schnell zu antworten, was sie nicht immer tun. Nach der Freigabe kann das Protokoll dann als vorläufiges Protokoll online gestellt werden.

 

Protokolle sind Protokolle. Klar, die müssen erstellt werden. Aber Sie haben wieder nur interne Prozesse zwischen Ortsamt und Beirat beschrieben. Meine Frage bezieht sich primär auf Servicefreundlichkeit hinsichtlich der Information gegenüber den BürgerInnen – und die damit verbundene Außenwirkung. Als PDF online abgelegte Protokolle sind das einzige offizielle Angebot, um sich nachträglich über analog abgehaltene Sitzungen zu informieren, an denen man vielleicht nicht teilnehmen konnte, weil man zum Beispiel beruflich verhindert war. Diese sehr stark eingeschränkte Form der Information, sich über die Themen und Beschlüsse auf den stattgefundenen Sitzungen zu informieren, ist aus meiner Sicht im digitalen Zeitalter völlig unzureichend – zumal die meisten FindorfferInnen diese Unterseite gar nicht kennen, weil sie nicht kommuniziert wird. 

 

Ich stelle eine Gegenfrage: Was schlagen Sie denn vor ? 

 

Es gibt auf der Internetpräsenz die Rubrik »Stadtteilangelegenheiten«. Wenigstens dort könnten wichtige Themen und Infos seitens des Beirats redaktionell aufbereitet kommuniziert werden. Das passiert nur alle paar Monate sporadisch. Nach welchen Kriterien dort etwas steht, weiß auch niemand. Zurück zu den offiziellen Protokollen. Das Archiv, in dem diese abgelegt werden, hat keine Suchfunktion und ist auch deshalb für eine nachträgliche Information der BürgerInnen völlig ungeeignet. Alle Dateien haben kryptische Namen – und kurze Inhaltsangaben als Vorschau fehlen völlig. Wie kann kann ein Archiv heutzutage derartig bürgerunfreundlich angelegt sein ?

 


Auch ich finde den Zustand sehr misslich.

Wir als Ortsamt haben leider nur begrenzte Möglichkeiten, wie wir die Seiten in unserem System, das der gesamte öffentliche Dienst nutzt, gestalten. Ich habe mir zu Beginn meiner Tätigkeit das Archiv angeschaut. Auch ich finde den Zustand sehr misslich. Wenn Sie sich jetzt die Seite anschauen werden Sie feststellen, dass wir mit den bescheidenen Möglichkeiten, die wir haben, zumindest den kleinen Schritt gegangen sind und die Seite in »Beiräte« und »Ausschüsse« unterteilt haben. Unser Ansinnen bleibt aber, dass wir die Internetpräsenz im Rahmen der Möglichkeiten moderner gestalten wollen. Dafür wurden unsere MitarbeiterInnen bereits geschult. Es wird aber keine Ad-hoc-Lösung geben: Wir werden unsere Vorschläge mit den Beiräten im Bremer Westen abstimmen.

 

Nächste Idee gegen Politikverdrossenheit: Findorff hat, wie einst unter der Domain www.findorff.de, kein offizielles Stadtteilportal mehr, auf dem auch Lokalpolitik kommuniziert werden sollte. Dieses Portal wurde 2018 sang- und klanglos mangels Contentpflege abgeschaltet. Warum hat Findorff im Vergleich zu anderen Stadtteilen kein offizielles Stadtteilportal ?

 

Auch das ist eine Frage, die Sie dem Beirat Findorff stellen sollten. Ich bin gerne bereit, dem Beirat unter dem Stichwort »Öffentlichkeitsarbeit« für ein offizielles Findorffer Stadtteilportal Anregungen zu geben. Man sollte aber wissen: Solche Portale stehen und fallen mit dem Engagement von einzelnen Menschen. Die redaktionelle Contentpflege ist keine Arbeit, die im Ortsamt geleistet werden kann. Ein offizielles Stadtteilportal ist davon abhängig, dass sich Leute im Stadtteil finden, die das machen. Auch ein Beirat kann sich dem Aufbau eines digitalen Stadtteilportals annehmen und für die technische Einrichtung finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Ein Beirat kann auch redaktionelle Inhalte liefern, wie es durch den Beirat Walle auf www.walle-aktuell.de passiert, wo es unter anderem eine eigene Rubrik für Kommunalpolitik gibt. Aber es braucht redaktionell verantwortliche Personen und Abstimmungsprozesse.

 

Auf der Startseite des Ortsamtes steht »Und jetzt zum Stadtteilmanagement – das sind wir.« Zugleich sind in kurzer Zeit mehrere »Stadtteilmanager« für Findorff gekommen und wieder gegangen – angesiedelt bei der Wirtschaftsinteressengemeinschaft der »Findorffer Geschäftsleute e.V.«. Macht dieses Modell unter dem Dach eines Vereinsvorstands von in erster Linie privatwirtschftlich aufgestellten Geschäftsleuten nach den gemachten Erfahrungen noch Sinn – oder braucht Findorff eine eigenständige Quartiersmeisterei für alle Menschen, Unternehmen und Kultureinrichtungen, wie man es in Walle erfolgreich vormacht ?

 

Die Frage kann ich gern beantworten. Stadtteilmangement bedeutet für mich, dass ein Stadteilmanager oder eine Stadtteilmanagerin übergreifend für den gesamten Stadtteil tätig ist. So konnte ich es in Gröpelingen bis heute sehr positiv erleben. In Walle haben wir ein Quartiersmanagement, das sich auf das Quartier Alt-Walle bezieht. Wenn Sie mich nach der richtigen Bezeichnung fragen, welche Organisationsform sich idealerweise auf alle Menschen im gesamten Stadtteil beziehen sollte, halte ich den Begriff »Stadtteilmanagement« für angebracht.

 

Bei einer Quartiersmeisterei handelt es sich um ein Projekt zur Verbesserung der regionalen Stadtteil­zentren ...

 

Korrekt. »Quartiersmeisterei« bezieht sich auf Quartiere in einem Stadtteil – von daher finde ich »Stadtteilmanagement« als Bezeichnung besser. Irritierend finde ich die begriffliche Überschneidung mit den Ortsämtern, die auf Verwaltungsebene ebenfalls bestimmte Aufgaben im »Stadtteilmanagement« zu leisten haben. Ein Stadtteilmanagement für alle würde für mich konzeptionell eher wie »Gröpelingen Marketing« aussehen, das ich damals mit aufgebaut habe.

 

Anders als in Findorff ist »Gröpelingen Marketing« nicht unter dem Dach einer reinen Wirtsschaftsinteressengemeinschaft von Geschäftsleuten angesiedelt, sondern firmiert als eigenständiger Verein – breit und vorbildlich aufgestellt für alle mit Kreativteam, Geschäftsführer und dem Team »Soziale Manufakturen«.

 

Zu den Aufgaben und dem Stand der Aktivitäten des »Stadtteilmanagements« in Findorff konnte ich mir bisher kein umfassendes Bild verschaffen, zumal diese Stelle zuletzt in 2023 längere Zeit auch gar nicht besetzt war. Ich finde es gut, dass »Wirtschaft« das Stadtteilmanagement in Findorff unterstützt und signalisiert hat, dieses auch zukünftig zu tun. Ob es Interessenkonflikte durch die Anbindung an die Findorffer Geschäftsleute gibt vermag ich nicht zu beurteilen. Klar ist: Ein solches Projekt ist nicht nur für die organisierten Geschäftsleute da, sondern für alle FindorfferInnen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: »Gröpelingen Marketing« ist  mehr als eine Interessenvertretung für die Gewerbetreibenden im Stadtteil. Das ist ganz klar ein Netzwerk aller lokalen Akteure – bestehend aus vielfältig aufgestellten Vereinen, Initiativen, Behörden und engagierten Menschen. Umfassend vernetzt und offen für alle Protagonisten im Stadtteil. So wünsche ich mir das auch für Findorff. Ich freue mich darauf, die neue Stadtteilmanagerin für die Weiterentwicklung des Stadtteilmanagements in Findorff kennenzulernen.

 


Mein Ziel ist es, viele Erfolge zu produzieren.

Welches sind Themen, die die Lokalpolitik aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren bestimmen werden ?  

 

Ein großes Thema wird die Entwicklung des GESTRA-Geländes ein. Zwei wichtige Fragen sind: Wie geht es auf dem Grünzug am Torfkanal weiter – und wie mit dem Bildungscampus Dresdener Straße. Ein weiteres Thema ist sicherlich nach wie vor die ungelöste Neuordnung der Parksituation in Findorff. Die Jugendbeteiligung muss unbedingt neu aufgestellt werden. Der Stadtteil bekommt eine neue Kita und einen Bildungscampus. Darüberhinaus wichtig: Wie gestalten wir die Öffentlichkeitsarbeit durch den Beirat Findorff, um mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen, mehr Menschen für Lokalpolitik zu gewinnen ? Mein Ziel ist es, gemeinsam mit dem Beirat Findorff möglichst viele Erfolge zu produzieren.

 

Sie sind langjähriges Mitglied der SPD. Wieweit muss und kann man sich zurücknehmen, um in der Rolle als Ortsamtsleiterin politisch neutral zu agieren ? Haben Sie auch den Anspruch, eigene Themen zu setzen oder sehen Sie sich eher in verwaltungstechnischer Funktion ? 

 

Ich bin in der SPD, aber ich bin in meiner derzeitigen Rolle momentan ganz bewusst parteipolitisch nicht aktiv. Ich verhalte mich neutral und versuche mit allen Fraktionen gut zusammen zu arbeiten. Ich bekomme auch entsprechendes Feedback, dass das gelingt. Mein Ansinnen ist es, alle Fraktionen in den Beiräten gleich zu behandeln und die Beiratsarbeit insgesamt zu stärken. Formal bin ich in verwaltungstechnischer Funktion tätig, aber als politisch denkender Mensch gehe ich natürlich mit offenen Augen durch den Stadtteil, um Menschen zuzuhören und Stimmungen und Themen aufzugreifen.  

 

Machen wir uns ehrlich: Findorff ist ein manchmal ziemlich eigensinniges »Dorff«, das auch aufgrund der Lage mit den beiden Nachbarstadtteilen nicht viel zu tun hat. Jetzt wird es ziemlich drastisch: Braucht Findorff ein eigenes Ortsamt ?

 

Ob Findorff ein eigenes Ortsamt braucht ? Das kann ich nicht beantworten. Ich kann nur feststellen, dass mit der Überseestadt, die zu Walle dazugekommen ist, angesichts der Aufgabenfülle im Ortsamt West darüber nachzudenken ist, ob der bisherige Zuschnitt noch aktuell ist. Stichwort Bürgerweide und Bahnhof: Findorff hat mehr Überschneidungen mit dem Ortsamt Mitte. Ob für Gröpelingen, Walle oder Findorff: Ich würde allen meinen Stadtteilen ein eigenes Ortsamt gönnen. 

 

Nach soviel lokalpolitischen Themen noch kurz der private »Gala«-Teil in unserem Gespräch: Sie haben in Bremen in verschiedenen Stadtteilen gewohnt und sind Anfang des Jahres aus Gröpelingen nach Findorff gezogen. Wohin ging es ? Ins Zentrum oder in die Randlage, um etwas Abstand zu halten?

 

Es ging als Familie mit mehreren Generationen eher Richtung Randlage in ein Haus mit einem schönen Blick ins Grüne auf ein Parzellengebiet. Neben dem Blick in die Natur schätze ich die Nahversorgung im Stadtteil – und ich werde ab sofort sehr gern den legendären Findorffmarkt besuchen.   

 

Frau Wiedemeyer, herzlich willkommen in Findorff – und vielen Dank für das Gespräch.

 

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin Rolfes, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 29, 2024

 

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Foto © Kerstin Rolfes, www.kerstinrolfes.de