KATRIN RABUS BELEBT FINDORFF MIT DEM »Zentrum für Kultur und Medien«


Ich stecke meine ganze Energie in eigenes Handeln.

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Katrin Rabus (78) studierte von 1963 bis 1969 Geschichte und Romanistik. In den Siebzigerjahren arbeitete sie als Lehrerin an verschiedenen Gymnasien. Später gründete Rabus in der Plantage 13 eine öffentliche Galerie für zeitgenössische Kunst. Im Jahr 1992 stand das gesamte Gebäude und Areal mit fast 4000 qm zum Verkauf. Weil dadurch auch die Galerie bedroht war, kaufte das Ehepaar kurzerhand die Immobilie, um sie aufwendig umzubauen. Katrin Rabus gründete mehrere Vereine und engagierte sich in diversen Gremien und Ehrenämtern; darunter das Internationale Fernsehforum für Musik »The Look of Sound«. Die Galerie Rabus gibt es seit 2004 nicht mehr, aber das daraus entstandene »Zentrum für Kultur und Medien« bietet bis heute Räumlichkeiten für gewerbliche MieterInnen vorrangig aus der Kultur- und Medienszene – darunter viele Jahre auch die Bremer Philharmoniker. www.plantage13.de

 


Glückwunsch Katrin, ich kenne niemanden persönlich, der es bekommen hat, aber Dir ist es verliehen worden: das Verdienstkreuz am Bande. Was bedeutet diese Wertschätzung für Dich ? 

 

Sehr viel ! Ich glaube, ohne Wertschätzung kann kein Mensch leben. Wertschätzung ist auch etwas, was man anderen geben sollte. Das ist sehr schwer. Man ist ja immer sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich hatte erst Schwierigkeiten, das Verdienstkreuz anzunehmen. Geholfen hat mir, dass der Vorschlag für die Verleihung an meine Person von den BürgerInnen kam – und nicht von offizieller Seite. Das hat mich bestärkt, das Verdienstkreuz anzunehmen, weil man sich tatsächlich ja nicht abstrakt für den Staat einsetzt, sondern man engagiert sich für Menschen – und man macht das, wofür man sich einsetzt, natürlich auch für sich selbst. Aber in erster Linie ist es so, dass andere etwas davon haben.

 

Der »Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland« wird auf Vorschlag für besondere Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem, geistigem oder ehrenamtlichem Gebiet verliehen. 

 

Im Gesetz von 1951 sprach man noch von geistigen Leistungen für die Gesellschaft. Diese Begründung hat mir gut gefallen. Das trifft es in meinem Fall. Eine geistige Leistung hat eine tiefergehende Bedeutung, kulturell ist heute ja alles.

 

Weißt Du, wer Dich vorgeschlagen hat ?

 

Ja, das weiß ich inzwischen – und ich habe mich bedankt, zumal das Procedere vom Vorschlag bis zur Verleihung für die vorschlagende Person mit viel bürokratischem Aufwand verbun-

den gewesen ist. Ich wusste gar nicht, das jedeR jemanden vorschlagen kann – und kann nur empfehlen, es auch für andere zu tun. Der Weg zum Ziel ist nicht ganz einfach, aber er lohnt sich.

 

Die offizielle Verleihung nahm Bürgermeister Bovenschulte vor, zugleich Präsident des Bremer Senats. Prof. Dr. Pierwoß, einst Intendant des Bremer Theaters, hat über Dich gesagt: »Die Unberechenbarkeit dieser außerparlamentarischen Opposition war ihr Qualitätsmerkmal«. Wollte sich das parteipolitische Bremen mit Dir vielleicht doch noch versöhnen ?

 

Ich glaube, das spielte keine Rolle.

 

Vielleicht sollten wir kurz auf die Neunziger zurückblicken: Gemeinsam mit Klaus Pierwoß hast Du damals die Kulturinitiative »Anstoß« gegründet, um Dich außerhalb einer Partei öffentlich und sehr streitbar für die Bremer Kultur einzusetzen. Deine Kritik kam nicht überall gut an ?

 

Das war so. Aber entscheidend war damals: Unsere Kritik wurde ernst genommen und in politische Aktion umgesetzt. Es ist leider so, dass die Generation, die damals mit uns die Kämpfe um die Kultur ausgefochten hat, inzwischen abgetreten ist. Heute ist eine andere Generation herangewachsen, die lieber die öffentliche Stille bevorzugt. Es ist in der Kulturszene ruhig geworden – und man betont heute eher, wie gut man sich mit der Politik versteht. Das ist aus meiner Sicht ein falsches Verständnis. Wer mich kennt, der weiß, dass ich im menschlichen Umgang PolitikerInnen als AnsprechpartnerInnen sehr schätze. Dieser wertschätzende Umgang miteinander war auch eines der Geheimnisse, warum »Anstoß« Erfolg hatte. Es gab in der Auseinandersetzung in der Sache stets gegenseitigen Respekt. Ich habe das auch an den Glückwünschen gemerkt. 

 

Das Verdienstkreuz am Bande ist bereits die zweite große Ehrung, die Du erfahren hast. 2010 wurde Dir in Berlin für Dein besonderes medienpolitisches Engagement der französische Verdienstorden verliehen. Welche Auszeichnung ist Dir wichtiger ?

 

Ich freue mich, zu den ganz wenigen Menschen zu gehören, die in beiden Ländern geehrt wurden.

 

Du hast mir einmal gesagt, dass es für Dich kein »Man sollte doch endlich etwas machen...« gibt, sondern nur »Ich sollte und kann etwas machen...«. »Man« gibt es nicht. Magst Du uns diese Aussage ausführlicher erklären ?

 

Ich bemerke, dass die junge Generation Gegebenheiten weniger infrage stellt. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber ich weiß, dass wir anders waren. Menschen müssen die Dinge nicht als gegeben hinnehmen. Wenn also jemand sagt, »Man müsste...«, zeigt diese Formulierung zunächst nur, dass Interesse an einer Sache vorhanden ist – und auch die Vorstellung, dass etwas anders sein könnte, als es ist. Der nächste Schritt ist, sich zu fragen: »Wer könnte Veränderungen bewirken ?« Sicherlich sind das nicht diejenigen Personen, die in die Sache bisher involviert sind. Der dritte Schritt ist: »Wer sieht das genauso wie ich ?« Nicht selten stellst du fest, dass andere das, was du verändern willst, noch gar nicht bemerkt haben. Man fängt an zu erklären und merkt: »Das bringt gar nichts«. Oft bekommt man nur als Antwort: »Ja, aber das war doch schon immer so.« Vierter Schritt: Statt mühselig anderen Menschen weiterhin zu erklären, dass etwas geändert werden müsste, ist es besser, ich stecke meine ganze Energie in eigenes Handeln und frage mich: »Wo wäre denn ein erster Ansatz, etwas zu verändern?« Ich bin kein revolutionärer Typ. Ich fange mit kleinen Schritten an. Man muss sich aber den Menschen nähern, die verantwortlich sind, um zu fragen: »Wie sehen Sie das ? Könnte man da etwas zum Besseren ändern? « Dialoge sind wichtig. Sie kommen in meiner Arbeit automatisch zustande. Auch heute noch fällt mir in vielen Situationen sofort etwas ein, was geändert werden könnte. Mit dieser Sichtweise macht man sich aber nicht nur FreundInnen. Man muss mit Kritik auch ein bisschen vorsichtig sein.

 

Katrin Rabus Galerie Galeristin Bundesverdienstkreuz Plantage Findorff gleich nebenan Kultur
Foto © Kerstin Rolfes, www.kerstinrolfes.de

Ich habe es trotzdem getan.

Der Kommunikationstheoretiker Paul Watzlawick sagt: »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Wer Dich kennenlernt, weiß, Du kannst Dich nicht nicht engagieren. Ist das so ?

 

Dieses »selbst handeln können« ist mir einfach vertraut. Ich fühle einfach eine Verantwortung, Dinge klar auszusprechen.Ich habe kürzlich einen Artikel über jemanden gelesen, der auch gewürdigt wurde. Er sagte über sein lebenslanges Engagement: »Ich habe das Gefühl, ich würde nichts tun, wenn neben meinem Alltag nicht auch ein öffentlicher Ansatz dabei wäre, in dem ich mich gesellschaftlich einbringe.« Genauso geht es mir. Mein Vorbild war Hildegard Hamm-Brücher. Die Politikerin sagte damals: »Frauen haben eine Rolle in der Famile. Sie haben eine Rolle im Beruf – und sie haben eine Rolle im öffentlichen Leben.« Diese Aussage traf immer auch auf mich zu – seit ich mit 13 Jahren Klassensprecherin wurde. Mein Vater war entsetzt. Als Fazit der Kriegsgeneration sagte er dazu nur: »Engagiere Dich nicht.« Ich habe es trotzdem getan.

 

Kann sich das JedeR leisten »die Klappe aufzumachen« ? 

 

Nein, man kann es sich nicht immer leisten. Aber wenn man es sich nicht leisten kann, geht es einem nicht gut. 

 

Womit ist ein »es sich leisten können« verbunden ?

 

Ich sage: Das geht nur mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit.

 

Ende der Siebzigerjahre hättest Du auch mit Deiner Lehrtätigkeit im Schuldienst mit einer sicheren Beamtenlaufbahn weitermachen können. Stattdessen hast Du die »Galerie Katrin Rabus« an der Plantage 13 gegründet – und viele Jahre erfolgreich mit internationaler Kunst gehandelt. Hattest Du nach Deiner Entscheidung, freie Galeristin zu werden, schlaflose Nächte oder galt für Dich eher »No risk, no fun ?«

 

LehrerIn sein können viele, aber ich wusste, dass ich auch noch etwas ganz anderes kann. Man hätte mir bei meinem Temperament auch niemals den Aufstieg im Schuldienst ermöglicht. Ja, ich hatte als Galeristin und mit dem Kauf und der Finanzierung der ehemaligen Blusenfabrik Engels an der Plantage viele schlaflose Nächte und Zweifel, wie mein Mann und ich das schaffen würden. Gut war: Mein Mann hatte einen sicheren Beruf. Nur so konnten wir es uns leisten, ins Risiko zu gehen. Er hat unser gesellschaftliches Engagement immer auch als »soziales Kapital« und persönliche Bereicherung gesehen. Vor allem hat er aber auch nie gefragt: »Was kommt dabei raus ?« Was wir mit der Plantage 13 erreicht haben, hätten wir nie gemeinsam geschafft, wenn ich im Schuldienst geblieben wäre. Ich frage mich aber heute rückblickend: »Wie habe ich über 25 Jahre diese viele Arbeit geschafft ?«

 


Die Initiative »Leben in Findorff« hat uns zu Findorff-Freunden gemacht.

 

Du bist in Butjadingen in der Wesermarsch im nordwestlichen Niedersachsen geboren. Dein Mann Werner und Du seid eher durch Zufall in Bremen in Findorff gelandet. Wie kam es zu Eurer Entscheidung nach Bremen zu gehen ? 

 

Bremen war Anfang der Achtzigerjahre eine attraktive Stadt. Wir hatten unsere kleine Familie. Mein Mann bekam 1978 ein sehr gutes berufliches Angebot. Ich habe sofort gedacht: »In dieser offenen Stadt kann ich viel tun.« Diese Vermutung hat sich bewahrheitet. Ich hatte das Bedürfnis, die künstlerischen und musischen Erfahrungen, die ich plötzlich machte, über eine öffentliche Galerie, wie ich sie mir vorstellte, weiterzugeben.

 

Welche Beziehung hast Du im etwas abseitigen »Dorffrandgebiet« an der Plantage zu Deinem Stadtteil Findorff ?

 

Die Initiative »Leben in Findorff« hat uns zu Findorff-FreundInnen gemacht. Ich habe einfach sehr lange zu viel Energie in andere Projekte gesteckt, um den Stadtteil, in dem wir seit Jahrzehnten leben, mehr wahrzunehmen. Aber mit den neuen MieterInnen in der Plantage 13 sind wir froh, dass wir auch Aspekte von und für Findorff berücksichtigen werden.  

 

Welche Rolle spielt Werner Rabus als »Mann an Deiner Seite« in Deinem Leben ?

 

Die größte !  

 

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin RolfesInterview erschienen in Ausgabe Nr. 21, 2022

 

Katrin Rabus Galerie Galeristin Bundesverdienstkreuz Plantage Findorff gleich nebenan Kultur
Foto © Kerstin Rolfes, www.kerstinrolfes.de