FRIEDEMANN FRIESE HAT DAS SPIEL »FINDORFF« ENTWICKELT


Geschicktes Spielen sollte belohnt werden.

Jörg Lochmon ist im Kulturzentrum Schlachthof mit zuständig für das Programm in Bremen Findorff Findorffer Geschäftsleute Magazin Stadtteil Bremen Einzelhandel Gastro Restaurants essen gehen

Friedemann Friese wurde in Stadthagen im Weserbergland geboren. Er zog mit den Eltern in seiner Kindheit und Jugend an verschiedene Orte in Niedersachsen. Friedemann Friese hat sich irgendwann durch sein Studium der Mathematik in Bremen »festgesetzt«. Im Spiel schätzt er das spielerische Mit- und Gegeneinander, was er auch seit Jahren beim Kutterpullen für Lok Pusdorf unter Beweis stellt. Jahrelang hat er auch Menschen über seine Tätigkeit als DJ zusammen gebracht. Mehr Infos unter www.2f-spiele.de

 


Friedemann, Du bist Spiele-Entwickler. Das ist kein Ausbildungsberuf und klingt für mich eher nach einer Leidenschaft. Wie wird man Spiele-Entwickler  ? Anders gefragt: Wann hast Du Deine Leidenschaft zum Beruf gemacht ?

 

Ich habe schon immer sehr gerne Spiele gespielt. Mit zehn oder elf habe ich bei Spielen die Regeln verändert und mir neue dazugedacht, neue Karten erfunden. In der 10. Klasse bastelte ich mein erstes Brettspiel. In der Jugend und im Studium wurde es immer mehr mit dem Spielen. In Bremen gibt es die »Spielerei«, ein sehr gut sortierter Spieleladen. Dort habe ich gesehen, was es jenseits des Mainstreams auf dem Markt überhaupt alles gibt. 1991 war ich das erste Mal auf einer Spielemesse, den »Internationalen Spieltagen« in Essen. Dort waren neben den großen Firmen unglaublich viele alternative Game-Designer, die ihre Spiele ausgestellt haben. Da dachte ich: »Das kannst du auch !« Seitdem bin ich dabei geblieben.  

 

Deine Spiele fangen alle mit »F« an. Das kann ich mir durch Deinen Namen erklären. Eine Art Wortmarke, wenn man so will. Aber warum ist Dein Markenzeichen die Farbe Grün ?

 

Grün gefällt mir einfach. Eine Symbolik steckt nicht dahinter. Mit 19 habe ich mir das erste Mal die Haare gefärbt: Grün !  Was man halt so macht in dem Alter. Zwischendurch hatte ich auch mal Pink, aber das gefiel mir nicht. Grüne Haare gefallen mir immer noch. Grün ist mit den Jahren mein Markenzeichen in der Spiele-Szene geworden. Auch für das Design meiner Spiele ist Grün immer die dominante Farbe. Dadurch gibt es einen hohen Wiedererkennungswert.

 

Du machst in der Entwicklung nicht alles allein. Mit wem kooperierst Du bei Produktion und Vermarktung Deiner Spiele ? 

 

Mein langjähriger Freund und freier Mitarbeiter ist Henning Kröpke, der sich viel um Organisatorisches kümmert. Für das grafische Design arbeite ich mit zwei Illustratoren zusammen – je nach Charakter des jeweiligen Spiels. Die Illustrationen des Findorff-Spiels sind von Lars-Arne Kalusky, der sich als Künstler »Maura« nennt. Die Spielanleitungen entstehen mittlerweile kollektiv. Ich habe einige Leute, mit denen ich im Feedback-Verfahren die Texte zurechtfeile. Ich selbst denke dafür oft zu sehr als Mathematiker: Es steht zwar alles drin, ist aber nicht immer verständlich oder angenehm zu lesen. Die Außenperspektive der anderen ist sehr hilfreich. Die Vermarktung läuft mittlerweile über die »Genossenschaft Spiel« direkt. Das ist ein Zusammenschluss von etwa 70 kleineren Spielverlagen. SpielwarenhändlerInnen bestellen zentral direkt dort. Das spart Transportkosten. Aber auch auf den einschlägigen Messenstelle ich meine Spiele vor und knüpfe persönliche Kontakte.

 

Wie ist bei Deinen Spielen das Verhältnis zwischen Glück und Können ?

 

Es ist stets eine Herausforderung für mich, in diesem Verhältnis die richtige Mischung zu finden. Im Schachspiel beispielsweise gibt es meiner Meinung nach zu wenig Zufälliges – das ist mir zu ernst. Aber ein Brettspiel, bei dem ich wieder von vorne loslaufen muss, wenn ich auf das vorletzte Feld komme, ist auch doof. Eine gute Strategie wird da unter Umständen vom Zufall zu hart bestraft. Ich finde, geschicktes Spielen sollte am Ende belohnt werden. Insofern steht für mich Geschick über Glück.

 

Spiele erfinden ist ein kreativer Prozess, für den man eine Idee braucht. Wann, wo, wie, wobei kommen Dir Deine Ideen ?

 

Das ist bei mir ganz unterschiedlich. Eine Idee kam mir einmal während ich in Bremen Fahrrad fuhr. Ich nahm einen Weg, den ich jahrelang nicht gefahren war. Plötzlich ging es nicht mehr weiter, weil dort ein ein Haus stand. Also musste ich einen Umweg nehmen. Aus dieser Alltagserfahrung ist dann das Spiel »Frischfisch« entstanden. Andererseits diszipliniere ich meine Kreativität aber auch. Vor einigen Jahren hatte ich mir das Thema »Freitag« gesetzt. »Freitag« fängt übrigens mit »F« an. Fünf Jahre lang habe ich jeden Freitag entweder fünf oder fünfzehn oder fünfzig Minuten oder fünf Stunden an Spielen gearbeitet – egal wie gerade meine Stimmung war. Diese Vorgehensweise war letztlich sehr produktiv ! Darüber habe ich auch im Internet einen Blog geschrieben.

 

Wie geht es nach dem ersten Einfall weiter ? Wie und wo entwickelst Du eine Idee zu einem vorzeigbaren Produkt ?

 

Wenn ich eine Idee habe, bei der mein Gefühl sagt: »Das kann etwas werden«, muss ich schnell an den Rechner. Am Rechner mache ich dann mit Grafik- und Bildprogrammen Skizzen und tüftele an ihnen weiter. Manchmal nehme ich auch bereits vorhandene Karten von anderen Spielen und probiere Ideen an meinem Arbeitstisch aus. Dabei simuliere ich verschiedene SpielerInnen und schlüpfe in die Rollen.

 


Ich habe gelernt, wie dynamisch Findorffs Geschichte ist.

Lässt Du den Prototypen von Probanden testen ? 

 

Ich mache seit Jahren zweimal pro Woche Spielabende bei mir im Atelier. Dann spielen wir mit maximal sechs FreundInnen und Bekannten alle möglichen Spiele. Wenn ich einen meiner Prototypen testen will, ist das immer eine super Möglichkeit. Ob positiv oder negativ: Sofort bekomme ich ein entsprechendes Feedback – in beide Richtungen. Außerdem diskutieren wir unter KollegInnen in der Game-Design-Szene unsere neuen Ideen. Unter uns herrscht in der Regel freundschaftliche Konkurrenz. Aber die meisten neuen Spiele und unsere Stile sind derart unterschiedlich, dass es gar nicht zu Konkurrenzen kommt. 

 

Wie kam es zu dem Spiel »Findorff« ? 

 

Zuerst hatte ich eine abstrakte Aktionsidee, die etwas mit Bauen und Stadtentwicklung zu tun hatte. Ein Freund sagte dann plötzlich: »Mach doch mal was mit Findorff, das hat dreimal ‹F‹.« Daraufhin habe ich mich sehr mit der Geschichte von Findorff beschäftigt. Der frühere Ortsamtsleiter Hans-Peter Mester hat das Findorffer Geschichtsbuch geschrieben. Daraus habe ich gelernt, wie dynamisch die Geschichte von Findorff ist, wie viele gravierende Veränderungen baulicher Art es für diesen Stadtteil im Laufe der Zeit gab. Das Spiel ist historisch. Es deckt die Zeit von 1803 bis 1916 ab. Das war eine Epoche, in der sich die Industrialisierung auch in Findorff sehr bemerkbar gemacht hat. Diese Entwicklungen kann man im Spiel nacherleben: Es geht um die Gestaltungsmöglichkeiten des Stadtteils: Gebäude, Straßen, Bahnlinien, Bahnhöfe. Und natürlich um Torfhandel.

 


Mal gewinnt man, mal verliert man.

Erich Kästner hat gesagt: »Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein ganzer Mensch.« Was sagst Du dazu ?

 

Die Art des Spielens ändert sich – und man muss zwischen Kinder- und Erwachsenenspielen unterscheiden. Wenn Kinder Spiele spielen, ignorieren sie manche Regeln, erfinden spontan neue, schummeln, zanken sich herum oder brechen ab und fangen etwas Neues an. Erwachsene hingegen nervt sowas auf Dauer eher. Ich weiß, wovon ich rede.Ich bin selbst zweifacher Vater. Erwachsene treffen sich eine begrenzte Zeit für ein Spiel. Das Findorff-Spiel dauert übrigens ca. 75 Minuten. Alle, die mitspielen, wissen von Anfang an, dass nach Regeln gespielt wird, die im »realen Leben« nicht unbedingt gelten. Genau das ist der Reiz, dass ich für eine abgegrenzte Zeit in eine Spiel-Welt eintauchen kann und mich in dieser Spiel-Welt mit den anderen verbunden fühle. Mal gewinnt man, mal verliert man. Aber Spiele spielen unter Erwachsenen sollte in erster Linie ein angenehmes Gemeinschaftsereignis sein. 

 

Warum sollte man sich »Findorff« dieses Jahr als Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen ?

 

Man lernt spielerisch sehr viel über die Geschichte Bremens und Findorffs. Außerdem ist es ganz einfach ein super Spiel, das man nicht nur als BremerIn besitzen und spielen sollte.

 

Interview: Dr.Peter Holz, Foto: Matrin Bockhacker, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 24, 2024

 

Freidemann Friese ist Spieleentwickler und hat das »Findorff«-Spiel entwickelt.
Foto © Martin Bockhacker, www.bildplantage13.de