THE CHAMELEONS AUF »35th Anniversary of What Does Anything Mean?« TOUR


Dunkle Themen haben mich nie abgeschreckt.

Jörg Lochmon ist im Kulturzentrum Schlachthof mit zuständig für das Programm in Bremen Findorff Findorffer Geschäftsleute Magazin Stadtteil Bremen Einzelhandel Gastro Restaurants essen gehen

Mark Burgess ist Gründer und Sänger der legendären Band »The Chameleons«, die 1981 in Manchester zusammenfand. »The Chameleons« wurden in der Post-Punk-Zeit bekannt – auch weil der legendäre Radiomoderator John Peel sie unterstützte und mit ihnen eine Session aufnahm. Nicht nur von den Anfängen erzählt Mark Burgness in seinem Buch »View From A Hill«, das die LeserInnen durch vier Jahrzehnte der britischen Popkultur führt – mit ungezählten Anekdoten aus der Musikindustrie. »View From A Hill« ist laut Beschreibung eine bewegende, hochkomische und äußerst unterhaltsame Achterbahnfahrt durch die Geschichte der Rockmusik. Die »35th Anniversary of What Does Anything Mean ?« Tour führt die reformierte Band am 11. Juni nach Bremen-Findorff in den Schlachthof. www.chameleonsmark.com

 


Mark, deine Karriere als Musiker hat in den Achtzigern mit der Band The Chameleons begonnen und nach wie vor bist du sehr aktiv. Viele, viele Songs, Platten, Konzerte, Kooperationen und Produktionen – woher kommt deine Energie ? Was hält dich am Laufen ?

 

Um ehrlich zu sein: Darüber denke ich nie nach. Musik ist seit meiner Kindheit ein zentraler Bestandteil meiner Persönlichkeit. Meine erste Platte habe ich mit vier bekommen. Als ich dann die Gelegenheit hatte live mit Bands aufzutreten und Songs zu schreiben, war es sehr klar, dass ich das machen wollte. Musik zu machen ist meine natürliche Triebfeder. Es gab in meinem Leben aber auch schon Phasen, in denen ich dachte, ich versuche etwas anderes. Vor einigen Jahren habe ich ein Buch geschrieben. Fast wäre ich in die Film- und Fernsehszene eingestiegen. Aber Musik schreiben, aufnehmen und Konzerte spielen ist irgendwie wohl doch mein Ding. 

 

Von deinem Namensvetter Mark Twain stammt folgendes Zitat: »Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er nie jemandem zeigt.« Als ich mich intensiv mit den Texten der Chameleons beschäftige habe, hatte ich den Eindruck, dass du mit ihnen etwas Licht auf diese dunkle Seite werfen willst. Einsamkeit, Verzweiflung, Selbstzweifel und Entfremdung sind bei Dir regelmäßig Thema. Was kannst du uns über den emotionalen Hintergrund deiner Texte sagen ?

 

Dem Zitat kann ich sehr viel abgewinnen. Ich habe mich von eher dunklen, emotionalen Themen nie abschrecken lassen – und ich gebe zu, dass sie bei mir nach wie vor sehr präsent sind. Das ist bei mir wie wahrscheinlich bei den meisten Menschen. Ich versuche in den Texten so offen wie möglich zu sein. Ich denke, dass die Kunst diese Themen generell oft behandelt, um derartige Gefühlszustände zu erforschen und ihnen Ausdruck zu verleihen. Ich habe mich häufig mit dem Gefühl der Entfremdung beschäftigt. Das war und ist eines meiner Grundgefühle in der Kultur, die mich umgibt. Ich habe typisch menschliche Erfahrungen immer aus meiner subjektiven Perspektive beschrieben. Auch das passiert bei mir wie von selbst.

 

Die Musik ist nicht dein einziges kreatives Ausdrucksmittel. 2012 hast du deine Autobiografie »A View From A Hill« veröffentlicht – mit ungefähr 500 Seiten »wahren Insider-Stories über Musikproduktionen und Anekdoten über Künstler wie The Smiths, Joy Division, New Order«, wie man in einer Besprechung liest. Warum sollten wir dein Buch kaufen ?  

 

Wenn du dich für das Leben im England der Sechzigerjahre interessierst, wirst du das Buch interessant finden. Wenn du wissen willst, wie sich die britische Kultur in die Punk-Szene

der Siebziger hinein entwickelt hat, wirst du sehr viel darüber erfahren, ebenso wie über die Post-Punk-Szene in Manchester mit The Fall, Joy Division und natürlich The Chameleons. Natürlich erfährst du Einiges darüber, wie unsere Musik entstanden ist, über die Gründung der Band, unsere Entwicklung, Beziehungsdynamik und schließlich unsere Trennung. Eigentlich habe ich das Buch für meinen Vater geschrieben, der zu der Zeit unheilbar krank war. Er hat es noch gelesen, bevor er starb.

 

Als Künstler bin ich immer an dem Artwork der Cover interessiert. Die der drei Chameleons-Alben finde ich sehr sorgfältig gestaltet. Sie wirken surrealistisch auf mich. Gibt es Zusammenhänge zwischen den Songs und dem jeweiligen Cover ?

 

Die Cover unserer Alben wurden von unseren Gitarristen Reg Smithies und Dave Fielding gestaltet. Dave hat eine Ausbildung und viel Erfahrung als Grafik-Designer. Er hat häufig einzelne Elemente zu einem Cover zusammengeführt. Reg brauchte nur eine leere Leinwand. Eine Verbindung zwischen den Illustrationen und den Texten der Lieder gab es nicht, aber sie passten immer zu der Stimmung der Platten. Beim Cover von »Script Of The Bridge« war es anders. Diese Brücke gibt es wirklich. Mit ihr verbindet uns eine gemeinsame Erfahrung. Wir lebten zu der Zeit in der Nähe des Schlosses am Loch Ness. Eine Brücke führt zu einem Denkmal, einer Art Grab in der Nähe.

 


Live-Auftritte halten uns am Laufen.

Ihr habt The Chameleons in Middleton bei Manchester gegründet. In welcher Weise hat Manchester und die ländliche Umgebung deine Arbeit als Songschreiber und Autor beeinflusst ?

 

Der Einfluss war nicht besonders groß. Die Szene war zu der Zeit sehr stark von The Fall, Joy Division und Spherical Objects dominiert. Wir mochten diese Bands, wollten aber nicht eine der vielen Kopien werden. Musikalisch haben wir uns eher nach Liverpool orientiert, wo Bands wie The Teardrop Explodes und The Wild Swans oder der Singer-Songwriter Pete Wylie angesagt waren. Als ich meine Autobiografie geschrieben habe, war ich überhaupt nicht in Manchester. Ich habe einige Jahre in Schottland gelebt. Beendet habe ich das Buch in der Zeit, als ich in Hamburg gelebt habe. Ich schätze, diese Orte haben mich wesentlich mehr beeinflusst als Manchester.

 

Du hast noch eine andere Verbindung nach Norddeutschland: Die Band The Convent stammt aus Zeven bei Bremen. Du bist seit vielen Jahren mit Sänger Carlo van Putten und dem Gitarristen Jojo Brandt befreundet. In 1993 habe ich für das INTRO Musikmagazin einen Artikel über The Convent und deren Debütalbum »Counting The Stars« geschrieben. Ich erinnere mich an einen netten Abend mit der Band nach dem Konzert ...

 

Carlo habe ich Ende der Achtziger nach einem Konzert kennengelernt, das ich mit »The Sun And The Moon« gespielt habe. Er und Jojo haben mich schon oft in England besucht. Das sind schon sehr tiefgehende Freundschaften. Wenn ich auf dem Kontinent bin, versuche ich immer beide zu treffen. Als wir uns damals kennenlernten, haben sie mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ihr erstes Album zu produzieren. Ich hatte sowas vorher noch nie gemacht, fand aber die Möglichkeit als Produzent tätig zu werden sehr attraktiv und sagte zu. Das war eine tolle, aber auch herausfordernde Erfahrung, zumal ich in der ersten Zeit noch Pfeiffersches Drüsenfieber hatte und erstmal wieder auf die Beine kommen musste. Sehr befriedigend fand ich die Arbeit an der Rohversion eines Songs, den die Band eigentlich rauswerfen wollte, weil sie mit dem Material irgendwie nicht zu Rande kam. Ich habe da viel Arbeit reingesteckt und den Song immer wieder umgeformt und finde, »Deadlock Days« ist einer besten Songs des Albums.

 

Seit Mai bist du auf »35th Anniversary of What Does Anything Mean ?« Tour, auf der ihr hauptsächlich alte Chameleons-Songs interpretiert. Worauf hast du dich am meisten gefreut ? Und gab es auch etwas, das dir Sorgen macht ?

 

Ich freue mich immer unglaublich, wenn es wieder auf Tour geht ! Und jetzt, wo Reg wieder dabei ist, bekommt die Tour sicher eine frische Dynamik. Mich stressen eher die geschäftlichen Dinge. Seit dem Brexit ist eine Europa-Tour für eine Band aus UK dreimal so teuer. Aber egal. Nach der langen Konzert-Pause durch die Covid-Pandemie wird es mal wieder Zeit, in Europa zu spielen. 2023 wird für mich vermutlich das aufregendste Jahr mit einer Band. Von Mai bis Dezember haben wir über 80 Auftritte in Europa, den USA und dem Vereinigten Königreich. Das wird sicher auch körperlich anstrengend, zumal ich nicht mehr der Jüngste bin. Aber wir wollen unbedingt Konzerte spielen. Live-Auftritte halten uns am Laufen.

 

Interview: Dr. Peter Holz, Foto: Christian Bertrand, www.shutterstock.com, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 26, 2023