UTE WOLLENS UND ANDREAS POHL LERNEN VONEINANDER


Während des Wachstums fixieren sich Blockaden.

Die Osteopathin Ute Wollens und der Logopäde und PäPKi®-Therapeut Andreas Pohl betreiben beide Praxen in Findorff. Er ist seit 22 Jahren in der Plantage 13 und sie seit vier Jahren in der Falkenberger Straße 66 tätig. Vor zehn Jahren begannen beide, sich regelmäßig zu treffen, um voneinander zu lernen und sich über fachliche Inhalte und gemeinsame PatientInnen auszutauschen. Auslöser dieser regelmäßigen Gespräche war der Fall eines Kindes, das bei Ute Wollens in der Praxis vorgestellt wurde und zu diesem Zeit- punkt im Alter von fast vier Jahren keine Konsonanten sprechen konnte. Die Osteopathin begann den Jungen zu behandeln und holte sich für die Therapie der Sprachstörung Andreas Pohl ins Boot. Es war der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Der Junge geht heute auf eine Regelschule und ist sprachlich unauffällig. Ausführliche Informationen zu der Arbeit von Ute Wollens und Andreas Pohl gibt es auf www.osteopathie-in-findorff.de sowie auf www.praxis-andreas-pohl.de

 


Frau Wollens und Herr Pohl, bevor wir Sie zu Ihrer gemeinsamen Arbeit befragen, beschreiben Sie zunächst, was Osteopathie eigentlich ist ?

 

Ute Wollens: Die Osteopathie strebt das Ziel an, die gestörten Funktionen des Organismus wieder herzustellen, indem die Ursachen von Schmerzen und funktionellen Störungen aufgespürt und behandelt werden. Dazu beurteilt der Osteopath die Stellung, Mobilität und Qualität der Gewebe.

 

Herr Pohl, Sie arbeiten als Logopäde und PäPKi ® -Therapeut. Was sind die Arbeitsgebiete der Logopädie ?

 

Andreas Pohl: Die Logopädie behandelt ganz unterschiedliche Sprach- und Sprechstörungen bei fast allen Altersgruppen. Ich selbst bin spezialisiert auf kindliche Spracherwerbsstörungen, also auf Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen nicht oder sehr verzögert sprechen lernen.

 

Wie passt die Lern- und Entwicklungstherapie nach PäPKi ® dazu ?

 

Andreas Pohl: PäPKi ®  beschäftigt sich mit der frühkindlichen Bewegungsentwicklung des Säuglings im ersten Lebensjahr, die aus meiner Sicht eine wesentliche Voraussetzung für die Sprachentwicklung darstellt.

 

Gibt es, wenn man die beiden Therapieformen Osteopathie und Logopädie nebeneinanderstellt, eindeutige Zusammenhänge oder Überschneidungen ?

 

Ute Wollens: Ja, man könnte sagen, die Halswirbelsäule ist der Ort, an dem die beiden Therapieformen zusammenfinden.

 

Können Sie diesen Zusammenhang erklären ?

 

Andreas Pohl: Die Kinder, die zu mir in die Praxis kommen, leiden häufig an einem muskulären Ungleichgewicht im Bereich der Halswirbelsäule. Das heißt, der Nacken ist häufig sehr fest und verspannt, die Sprechwerkzeuge Zunge, Mund und Umgebung hingegen kommen sehr weich und unkoordiniert daher, was ein Grund für eine undeutliche Aussprache sein kann.

 

Welche osteopathischen Maßnahmen wendet man bei diesen Kindern an ?

 

Ute Wollens: Meist sind diese PatientInnen seit der Geburt, bzw. frühesten Kindheit im Bereich des ersten, zweiten und siebten Halswirbels »verspannt«. Ich führe ausgleichende Maßnahmen durch.

 

Welchen Effekt hat diese Behandlung auf die Entwicklung der Sprache ?

 

Andreas Pohl: Nach einigen Behandlungen sind die Kinder häufiger in der Lage ihre Sprechbewegungen besser wahrzunehmen und zu koordinieren.

 


Es fängt bei den Babys an: ab dem Säuglingsalter.

 

Hat die osteopathische Behandlung weitere Effekte ?

 

Ute Wollens: Bei einer ungleichen Mobilität des Nackens sind oft zwei für das körperliche Befinden wichtige Bereiche betroffen: das sensorische Nackenfeld und die Eintrittspforten der zehn Hirnnerven. Das sensorische Nackenfeld ist wichtig für den Gleichgewichtssinn und die Körpertiefenwahrnehmung, die wiederum eine wesentliche Voraussetzung für die räumliche Wahrnehmung und damit für das Lesen, Schreiben und Rechnen darstellt. 

 

Was haben die zehn Hirnnerven mit der Logopädie zu tun ?

 

Andreas Pohl: Von den zehn Hirnnerven reagiert besonders der zehnte Hirnnerv, der sogenante »Nervus vagus«, empfindlich auf die chronische Enge im Nackenbereich. Er heißt auch vegetatives Nervensystem und reguliert auf allen Ebenen des Körpers die Balance zwischen Erregung und Beruhigung. Kinder mit einem dauerhaft mechanisch gereizten zehnten Hirnnerven können sehr leicht stressanfällig oder sehr unstrukturiert wirken. Solche Kinder sind schwer zu therapieren, da sie oft eine geringe Konzentrationsspanne haben.

 

Bisher dachte ich, Nackenprobleme haben nur Erwachsene jenseits der Vierzig, aber wie es nach ihren Erläuterungen aussieht, kommen sie auch häufig bei Kindern vor ...

 

Ute Wollens: Ja, gerade durch die Geburt und während des Wachstums fixieren sich diese Blockaden im Körper und es können dadurch überall im Körper Probleme entstehen – und es ist wichtig, sie früh zu behandeln, da sie sonst die weitere Entwicklung der Kinder negativ beeinflussen können.

 

Ab wann behandeln Sie denn Kinder ?

 

Ute Wollens: Es fängt bei den Babys an: ab dem Säuglingsalter.

 

Andreas Pohl: Meine derzeit jüngsten PatientInnen sind knapp zwei Jahre alt.

 

Welche Momente sind für Sie als Osteopatin am schönsten ?

 

Ute Wollens: Wenn die Menschen strahlen, völlig verblüfft über ihre eigenen Körperreaktionen sind und sagen »Sie haben aber goldene Hände«. Letzteres ist aber 50 Prozent meiner Arbeit.

 

Und welche Momente sind für Sie am schönsten, Herr Pohl ?

 

Andreas Pohl: Wenn ein Kind, das sich mit einem Sprachlaut sehr gequält hat, ihn schließlich ganz leicht sprechen kann.

 

Fotos: Matthias Hornung, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 6, 2018

 

© Kerstin Rolfes
© Kerstin Rolfes