Streit um ein Ausschreibungsverfahren in der »BioStAdt Bremen«


Worum geht es?

Die durch den rot-rot-grünen Senat politisch forcierte »BioStadt Bremen« hat in ihrem Aktionsplan als Ziel definiert »die Qualität der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung sowie das Angebot ökologischer und möglichst regionaler Produkte zu erhöhen und somit eine nachhaltige Transformation unseres Ernährungssystems zu befördern.« Dafür soll im öffentlichen Bereich auf Bio-Kost umgestellt werden. Für die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung ist eine Übungsküche geplant. Das Konzept dafür soll nach einer Ausschreibung der Groß-Caterer »Chefs Culinar« entwickeln. Von der Bremer Bio-Branche wird nachträglich das Ausschreibungsverfahren durch das grüne Umweltressort für das Konzept der Übungsküche scharf kritisiert. Der Weser Kurier berichtete. Die Kritik: Die Ausschreibung sei ohne einen vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb beschränkt gewesen und »auf den Nachweis von Erfahrungen beim Einsatz von regional nachhaltig erzeugten Lebensmitteln als Vergabekriterium« sei ebenfalls verzichtet worden.

 

Maike Schaefer, Senatorin für Klimaschutz Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau widerspricht dieser Darstellung und verweist auf vergaberechtliche Grundsätze mit strikten Rechts- und Verfahrensregeln für die öffentliche Hand. Die Bio-Händlerin Marie Pigors, seit Jahren mit ihrem Vater Kurt Richter auf dem Findorffmarkt vertreten, kann diesen formaljuristischen Erklärungsversuch der Senatorin so nicht gelten lassen. Ein Zwischenruf.

 

MARIE PIGORS: DAS GRÜNE UMWELTRESSORT HAT EINE Riesenchance vertan.


Die Wahrheit hat keine Lobby.

Massentierhaltung, verseuchtes Trinkwasser, Agrarindustrie, Klima-Krise, keine Atemluft mehr in Deutschland ohne Ackergifte drin, Pestizide im arktischen Eis, Gletscher, die schmelzen, wie Eiswürfel in der Sonne: Ich habe immer »GRÜN« gewählt. Ich dachte, »DIE GRÜNEN« hätten verstanden, wie dringend wir eine Kehrtwende einlegen müssen. Ausgerechnet in Bremen hat das grüne Umweltressort jetzt die Riesenchance vertan, sich für die parteipolitischen Ziele der »GRÜNEN« und für unsere Umwelt einzusetzen. 

 

»Vom Korn zum Brot« so heißt eine Ausstellung, die die Bremer Grundschulen standardmäßig besuchen. Dort lernen die Kinder, wie ein Brot überhaupt entsteht. Leider steht nicht auf dem Stundenplan: Wie die Körner heutzutage eigentlich wachsen und was passiert mit dem Getreide, bis es zu Mehl verbacken werden kann? 

 

Großkonzerne wie »Chefs Culinar«, »Unilever« oder »Nestlé« haben natürlich auch kein Interesse daran, dass die Menschen mitbekommen, wie die Lebensmittel hergestellt werden, die sie verkaufen. Die Wahrheit hat keine Lobby. Umso schlimmer, wenn diese Konzerne dann auch noch mit Geldern aus der Stadt Bremen versorgt werden. 

 

Jedes Korn, das in der konventionellen Landwirtschaft in die Erde kommt, ist mit Insektiziden, Fungiziden und Pestiziden ummantelt. Das nennt man Saatgutbeize. Das gebeizte Korn bildet ab dem Moment, in dem es in der Erde liegt, den sogenannten Beizhof, eine giftige Zone um sich herum, die alles Leben im Boden abtötet. Der Boden wird dann noch mit synthetischen Düngemitteln gedüngt, damit das Korn seine spezifischen Nährstoffe bekommt. Außerdem wird mehrfach mit Giften gespritzt, die die letzten Organismen oder sogenanntes Unkraut abtöten. Der konventionelle Dünger wandelt sich in unserem Grundwasser in giftiges Nitrat um, das unser Trinkwasser verseucht. Die Ackergifte bleiben in unserer Atemluft und in unserem Boden gespeichert. Und es handelt sich um unseren unmittelbaren Boden, unseren unmittelbaren Lebensraum, direkt hier bei uns, in Bremen und Umzu. Wenn ich durch die Gegend rund um Bremen fahre, sehe ich keine idyllische Landschaft sondern gucke nach Spritzspuren in den Feldern, sehe tote Erde und die Spuren des Klimawandels. Wer raus aufs Land zieht, kauft die Ackergifte in der Atemluft gleich mit. 

 


Wieso sagt da keiner: Das dürft ihr doch nicht machen!

 

Um konventionelle Lebensmittel herzustellen, wird unser eigener Lebensraum und der zukünftiger Generationen vergiftet. Wieso sagt da keiner: »Das dürft ihr doch nicht machen!«

 

»Das darfst Du doch nicht machen!« und »Das darfst Du doch nicht laut sagen, nicht in einen Topf werfen.« wird mir gerade ständig gesagt. Warum nicht?! »Chefs Culinar« profitiert seit Jahrzehnten von Agrarindustrie, Tierquälerei und Billiglebensmitteln aus ärmeren Ländern. Das gehört alles zusammen, es gibt kein Huhn ohne Ei, kein Brot ohne Korn. Wenn die BioStadt Bremen sich ihr Konzept von »Chefs Culinar Consulting« schreiben lässt, arbeitet sie mit so einem Konzern zusammen und gibt Geld an die falsche Adresse. 

 

100.000 € die für Bremen gedacht waren, finanzieren jetzt einem internationalen Konzern die Marktforschung. Das ist ein ganz, ganz großer Fehler!  Und abgesehen davon: ob es nun um »BioStadt«oder um irgendetwas anderes geht – Geld, das der Bremer Senat für Bremen bewilligt, sollte in Bremen bleiben und nicht in irgendwelche Konzerne abwandern. 

 

»Es ist doch die grüne Spitzenkandidatin!« heißt es dann. Ja, ist mir klar, danke! Fehler passieren offenbar überall. Das kann mal sein. Entscheidend ist aber, wie man hinterher damit umgeht und ob man offen zu ihnen steht und zur Schadensbegrenzung beiträgt oder nicht. Steht man für die eigenen Ziele ein, auch wenn es unangenehm wird? 

 

 »Aber wenn das mal ausgeschrieben ist, hat man ja keinen Einfluss mehr…« wird dann argumentiert. Dazu drei Punkte: 

  1. Die regionalen Wettbewerber wurden über die Ausschreibung nicht informiert, obwohl die Idee der Übungsküche und des sogenannten »House of Food« von ihnen bereits 2018 zur Umsetzung präsentiert worden war.
  2. Insgesamt dreizehn Akteure inklusive »Chefs Culinar« als internationaler Konzern wurden vom Umweltressort angeschrieben – der Großteil der regionalen AnbieterInnen wurde hingegen nicht informiert. 
  3. Der übliche Teilnahmewettbewerb, der kleinen AnbieterInnen ermöglicht, sich zu einer Bietergemeinschaft zusammenzuschließen, wurde nicht durchgeführt.  

Im Detail: Im Juni 2020 wurde ich von der Projektleitung der »BioStadt Bremen« gebeten, unsere Expertise bezüglich regionaler Ernährung, Bio und Resilienz in Corona Zeiten an sie weiterzugeben »für eine Senatsvorlage«. Das habe ich natürlich auch gemacht (schön blöd, denke ich im Nachhinein). Ich habe dann nochmals nachgefragt, ob mein Beitrag denn etwas gebracht hätte und ob es etwas Neues gäbe. Nein, es gäbe nichts Neues.

 

Am 02. Juli 2020 wurde die Ausschreibung über das Projekt offiziell gestartet und an ausgewählte Unternehmen geschickt.  Einen Tag vorher, am 01. Juli 2020, wurde mir auf meine erneute Nachfrage geantwortet, dass es nichts Neues gäbe, man uns aber sofort informieren würde, wenn sich etwas tut. Das ist nie passiert. Ich habe keinerlei Info über die Ausschreibung bekommen und auch der Senatsbeschluss aufgrund der Vorlage und die daraus gebastelte Übungsküche in der Innenstadt wurde nicht kommuniziert. Und das alles, obwohl meine KollegInnen und ich das Konzept einer Übungsküche und eines sogenannten »House of Food« bereits 2018 in mehreren Gesprächen präsentiert und die Umsetzung konzipiert hatten. 

 

Das Umweltressort versichert uns jetzt, bei allen weiteren Ausschreibungen auf die Punkte regionales Bio, nachhaltig, frisch gekocht und saisonal zu achten. Guter Witz. Warum? Der Einkauf der Schul- und Kindergartenküchen läuft in Bremen gar nicht über zentrale Ausschreibungen. Wenn überhaupt ausgeschrieben wird, dann würden solche Ausschreibungen über das Bildungsressort laufen, nicht über das Umweltressort. 

 

Jede Küche in den Einrichtungen kann selbst entscheiden, was gekauft wird und wo. Aber eins ist klar: wenn »Chefs Culinar« die Übungsküche gestaltet und die Köchinnen und Köche von »Chefs Culinar« beigebracht kriegen, wie sie in Bremen kochen sollen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie hinterher auch Ware bei diesem Konzern einkaufen, wohl ziemlich groß. Wo bleibt da dann der hiesige Kleinbauer, das Bremer Familienunternehmen, die Bremer Bäckerei mit Demeter-Zutaten aus der Region, die Bremer Wirtschaft? 

 

Daran, dass Konzerne wie »Chefs Culinar«, »Unilever«, »Nestle« und »Tönnies« das Geschehen in den Bremer Küchen und Restaurants auch jetzt schon überall vertreten sind, kann ich sicher nichts mehr ändern. Aber ich kann mich darüber aufregen, dass Bremer Geld jetzt an den Konzern von sonst woher geht. Noch mehr ärgert es mich, dass sich jetzt keiner zuständig fühlt. »Für die Themen Landwirtschaft und Ernährung haben wir keine Arbeitsgruppe« heißt es in der Geschäftsstelle der Bremer GRÜNEN. Wir haben bereits mehrfachbei der Senatorin  Offenlegung nach dem Informationsfreiheitsgesetz beantragt. Darauf gibt es bis heute keine Reaktion. 

 

»Es ist doch eh schon alles entschieden, die 100.000€ kriegst Du nicht zurück nach Bremen!« heißt es außerdem. Ja, es war clever, uns vor vollendete Tatsachen zu stellen. Aber das heißt nicht, dass wir nicht wenigstens noch lautstark Protest einlegen können, schließlich geht es um unsere Zukunft! Biologische Landwirtschaft ist der einzige Weg, Lebensmittel herzustellen ohne dabei unsere Luft, die Böden und das Wasser unserer Region zu vergiften. JedeR von uns kann jeden Morgen entscheiden, für welche Welt  er sich einsetzt, indem er entscheidet, welches Brötchen aus welchem Korn er zum Frühstück isst. 

 

Der Zustand der Welt ist das Resultat der Handlungen aller Menschen. Ich sehe den Zustand unserer Böden, unseres Klimas, unserer Lebensmittel. Und ich sehe gerade jeden Tag: Es wird viel zu viel geredet und viel zu wenig getan. Die »BioStadt Bremen« wäre ein Pionierprojekt hin zu einer gesunden Umwelt in unserer Region und hin zu einer echten Durchsetzung »grüner« Ziele. Stattdessen lassen diejenigen, die jetzt wirklich noch etwas entscheiden und bewegen können, ihre Chance einfach ungenutzt verstreichen. 

 

Marie Pigors ist Betriebsleiterin beim »Naturkost Kontor« Bremen und betreibt zusammen mit ihrem Vater Kurt Richter den ältesten Biostand auf dem Findorffmarkt. Vater und Tochter feiern deshalb nächstes Jahr mit allen KundInnen und einem Team aller Generationen vierzigjähriges Jubiläum. Die Markthändlerin aus Überzeugung organisierte auch 2016 den Protest gegen ein drohendes Parkverbot für die Marktleute auf dem größten Bremer Wochenmarkt – und hatte innerhalb kürzester Zeit über 4.000 Unterschriften gesammelt. 


 

Geschrieben im November 2020, Foto: Kerstin Rolfes

 

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