OLAF ERNSTING BIETET IN DER »VIDEO BOXX« Filme, GAMES UND Snacks


Wir haben die Neuheiten günstiger und oft auch früher.

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Olaf Ernsting wurde 1969 in Bremen geboren und wohnt privat in Hemelingen. Er ist Vater einer kleinen Tochter. Bereits seine Eltern betrieben viele Jahre in Delmenhorst eine Videothek. Seit 2002 gibt es die Video Boxx in der Fürther Straße 10. Ernsting ist seit 2011 der Inhaber – und feiert 2021 Jubiläum. Geöffnet ist Montag bis Donnerstag von 12:00 bis 22:00 Uhr, Freitag und Sonnabend von 12:00 bis 23:00 Uhr und Sonntag und an Feiertagen von 13:00 bis 21:00 Uhr. Die Videothek ist über eine Rampe barrierefrei zugänglich. Infos auf  www.videothekbremen.de, www.instagram.com/hochleistungsvideothekar sowie auf www.facebook.com/VideoBoxxHB

 


Olaf, Du bist seit vielen Jahren Inhaber der »Video Boxx« in der Fürther Straße in Findorff. Wie muss man als Videothek im Jahr 2020 aufgestellt sein, um gegen überaus erfolgreiche Streaming-Dienste wie»Netflix« mit dem Verleih von Filmen auf DVD weiterhin bestehen zu können?

 

Ich versuche besser zu sein. Ich möchte KundInnen motivieren, die »Video Boxx« kennenzulernen. Ich freue mich, ihnen den Unterschied aufzuzeigen und zu erklären, warum es einfach schöner ist, sich einen Film auf DVD, Blu-Ray (3D) oder 4K anzuschauen. Sie werden schnell merken, dass nicht nur die Qualität viel höher ist. Es ist auch ein ganz anderes Erlebnis, durch die Regale zu stöbern, die Cover in die Hand zu nehmen und sich beraten zu lassen. Die persönliche Empfehlung von jemandem, den man kennt, ist viel besser, als sich online durch irgendwelche Angebote zu klicken und sich von schlechten Rezensionen beeinflussen zu lassen. »Netflix« ist in diesem Fall ein unglückliches Beispiel, weil die größtenteils Serien anbieten. Unser Kerngeschäft sind Filmneuheiten, die man bei »Netflix« kaum finden wird – und schon gar nicht zum Start eines neuen Films. Wenn wir von den legalen Anbietern sprechen sind »Amazon Prime« und »Sky« meine Hauptkonkurrenten im Netz. Im Gegensatz zu »Netflix« haben wir die Neuheiten – und die sind bei uns deutlich günstiger als bei »Amazon Prime« oder «Sky« – und oft auch früher. So hatte ich in der »Video Boxx« zum Beispiel »Die Eiskönigin 2« zwei Wochen vorher im Verleih, während man den Stream bei »Amazon« für 14,99 Euro nur kaufen konnte. Der Verleih war dann bis zu 3,00 Euro bei mir viel günstiger. Auch der neue »Star Wars« wird bei mir im Verleih früher verfügbar sein. Und auch wenn beide Anbieter im Netz zeitgleich beides starten, kosten die Streams immer noch 4,99 Euro und mehr: Da bleibe ich preislich locker darunter. Man kann noch anführen, dass Streaming durch das rasante Wachstum der Serverfarmen mit einem stetigen Anstieg des Energieverbrauchs nicht »grün« ist, aber ich weiß nicht wirklich, wie ernst die Leute diesen Nachteil wirklich sehen. Ich habe meine Zweifel, ob der massive Energieverbrauch wirklich ein Kriterium ist. Der einzige Vorteil für die UserInnen der Streaming-Anbieter ist die eigene Bequemlichkeit. Neuheiten sind teurer als bei uns und viele Filme, die mit im Abo drin sind, sind oft nur alte Filme wie bei Disney.

 

Die heutige Generation 50+ und älter ist in ihrer Jugend komplett analog aufgewachsen. Viele dieser im letzten Jahrtausend kulturell sozialisierten VertreterInnen hören wie ich Musik weiterhin lieber »unbelehrbar« auf CD oder sogar auf Vinyl, anstatt, wie die eigene Tochter den digitalen Zugriff auf über 50 Millionen Songs bei Spotify zu nutzen. Sind Deine KundInnen NostalgikerInnen oder sehr entschleunigte Menschen, die sich das Gefühl von damals als Retrogefühl erhalten wollen?

 

Auch das spielt eine Rolle. Tatsache ist: Das Durchschnittsalter der KundInnen in Videotheken steigt, eine Entwicklung, die die Zahlen belegen, die der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V. (IVD) regelmäßig einholt. Allerdings ist es nicht so, dass nur Ältere unser Angebot nutzen. Es kommen auch viele jüngere KundInnen und entdecken teilweise das Medium wieder neu für sich. Wir bieten für diese Zielgruppe auch ein umfangreiches Angebot an Spielen für die Konsolen wie »Playstation 4« oder »Nintendo Switch« an.

 

Warum ist aus Deiner Sicht die Old-School-Philosophie einer bewussten Auswahl aus einem überschaubaren Angebot inklusive persönlicher Beratung besser, als die bequeme und scheinbar unendliche Verfügbarkeit aller Filme dieser Welt, die uns das Internet heute bietet?

 

Im Glauben an eine unendliche Verfügbarkeit im Internet liegt schon der Denkfehler, den viele machen. Man denkt, im Netz kann man alles bei jedem Anbieter jederzeit bekommen, aber dem ist nicht so. Jeder hat seine exklusiven Serien oder Rechte von bestimmten Anbietern. Mit Disney kam ja jetzt der nächste Player hinzu – das heißt man wird als UserIn von »Netflix« oder »Amazon Prime« wahrscheinlich in Zukunft keine Filme mehr von »Disney« und »Fox« zu sehen bekommen. Dazu zählen ja nicht nur Kinderfilme, sondern auch große Teile von »Marvel« und alles von »Fox«. Eine Zeitlang hatten »Amazon« und »Warner« untereinander kleine Differenzen; da war dann nichts mit »Harry Potter« oder »Herr der Ringe«. Wenn Anbieter im Netz wie »HBO« als amerikanischer Serienanbieter oder »Sony« auch irgendwann anfangen Angebote untereinander auszuschließen, wird es für die »EndkundInnen noch »lustiger«, weil man sich dann mehrere Abos kaufen darf. Die bessere Alternative: Man geht einfach in die Videothek. Dort gibt es in großer Auswahl alles aus einer Hand, ohne dass man teuer ein oder mehrere Abos abschließen muss – und man zahlt nur, was man auch gucken will. Übrigens ist das Angebot einiger Streaming-Anbieter gar nicht so groß wie man denkt. Die tricksen auch da ein bißchen herum. In deren Rechnung ist dann jeder Teil einer Serie ein Film. So kommen Zahlen zustande, die groß klingen, es aber eigentlich nicht sind. Ähnlich ist die Augenwischerei mit der Qualität von gestreamten Filmen und Serien in »HD«. »High Definition« online entspricht in der Auflösung nicht ganz der Qualität einer DVD und »Full HD« wie bei Blu-Ray ist das bei weitem nicht. Natürlich kann man auch Streams  immer noch ganz gut gucken. Allerdings frage ich mich, wenn man sich schon einen Blu-Ray-Player und»Full HD« Fernseher gekauft hat, weil man die bessere Qualität sehen will:  Warum schaut man den qualitativ schlechteren Stream? Es ist technisch oft  gar nicht möglich »Full HD« zu empfangen, auch wenn es der Anbieter einspeist. Warum? Die Bitrate ist nicht zu streamen – und von 4K brauchen wir gar nicht anfangen zu sprechen. Im Grunde ist das eher ein technischer Rückschritt. 

 


Ich wehre mich, eine Videothek als »retro« zu bezeichnen.

Im digitalen Zeitalter gibt es auch eine neue Sehnsucht nach dem Analogen. Retrotrends wie Bier brauen, Brot backen oder Möbel bauen sind angesagt. Welchen analogen Wert hat eine Videothek im Jahr 2020?

 

Ich wehre mich dagegen, eine Videothek als »retro« zu bezeichnen. Auch wir bleiben nicht stehen, sondern gehen mit der Zeit. Sonst würde es heute die »Video Boxx« gar nicht mehr geben. Ich kann Dir diese Frage irgendwie nicht wirklich beantworten – da müsste man die KundInnen schon selbst befragen. 

 

Wieviele Filme bietest Du an und welche Genres bedienst Du?

 

Grob geschätzt gibt es bei uns 6.000 Filme in allen Genres.

 

Du verkaufst an Deine KundInnen in der »Video Boxx« auch Snacks, Süßigkeiten, Getränke, Eiscreme und betreibst im Geschäft zugleich auch einen Paket-Shop. In einem Artikel des »Weser Kurier« wollte der Journalist Dich eigentlich fragen: »Wieso tut er sich das noch an?« – hat Dir die Frage aber dann doch nicht gestellt. Dann stelle ich Dir die Frage jetzt: Wieso tust Du Dir das noch an?

 

Er wollte eigentlich wissen, was ich anders mache, weil es mich noch gibt. Diese Fragestellung in dem Artikel hat mich geärgert. Hätte er mal gefragt. Die Antwort ist: Ich tue mir hier gar nichts an. Mir macht der Job nach wie vor großen Spaß. Ich bin mit ganzem Einsatz und voller Energie dabei. Ich verschwende auch so gut wie keine Gedanken daran, in naher Zukunft irgendwas anderes zu machen. Die Angebote und den Service, den ich mit der »Video Boxx« anbiete, wird von den KundInnen weiterhin gut angenommen. Wahr ist aber auch: Die Nachfrage im Filmverleih ist etwas weniger geworden ist. Diese Entwicklung lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, aber sie halten sich seit einiger Zeit auf einem ordentlichem Niveau. So gesehen ist alles im grünen Bereich.

 

Wie wichtig ist für Dich in Deiner Branche der persönliche Kontakt zu Deinen KundInnen?

 

Persönliche Beratung ist das A und O. Man muss gut hinhören, was die KundInnen wollen. Den Menschen zuzuhören ist die wichtigste Eigenschaft für einen Dienstleister. Vielleicht sollten das auch einige unserer PolitikerInnen mehr machen (grinst).

 

Gibt es bei Dir einen Mitgliedsbeitrag oder ein Abo?

 

Es gibt weder Mitgliedsbeitrag noch Abo. Die Leihgebühren sind abhängig vom jeweiligen Film. Der kostet im Einzelverleih 1,50 bis 3,00 Euro bis zum nächsten Tag, Pakete beispielsweise mit drei Neuheiten kosten 7,00 Euro. Fünf Filme / Spiele kosten 11,00 Euro, immer von »Heute« bis »Morgen«.

 

Während der Corona-Krise musstest Du die Video Boxx als Geschäft wie viele weitere stationäre Anbieterinnen in Findorff schließen. Wie flexibel konnte man bei laufenden Kosten wie Miete etc. reagieren und wer hat Dir geholfen?

 

Da gibt es nicht viel Spielraum, denn der Filmverleih in der  »Video Boxx« war ja komplett dicht. Stattdessen habe ich die Filme ausgeliefert und auch wieder eingesammelt. Dadurch war ein Totalschaden erstmal ein wenig abgewendet, auch wenn man damit leider nicht alle Ausfälle kompensieren konnte.

 

GLS- und DPD-Paketshop ging; Filmverleih nicht, weil der nicht zum lebensnotwenigen Einzelhandel gehört. Steckt hinter dieser Anordnung aus Deiner Sicht eine geheime Logik?

 

Als Videothek ist man per Definition nicht Einzelhändler, sondern Dienstleister, die ja laut Verordung eigentlich weiterhin geöffnet haben dürfen. Nein, eine Logik gab es sicher nicht, sondern auf Seite der Behörde eher eine große Unsicherheit. Natürlich gehört eine Videothek nicht zur Grundversorgung. Es wäre Quatsch, das zu behaupten. Allerdings war es schwierig, den KundInnen zu vermitteln, dass man in unsere Räumen zwar hinein darf, um ein Paket abzuholen oder aufzugeben, sich auch eine Tüte Chips, Eis oder Getränke besorgen kann, aber gleichzeitig keine Filme und Spiele zu leihen oder zu kaufen sind. Das machte wenig Sinn. Für den Paketshop habe ich gleich ein O.K. bekommen, allerdings kam auf die Frage auf »Was ist, wenn die KundInnen mit Filmen vor der Tür stehen? Kann ich die dann auch annehmen?« ein klares »Nein« und die Aussage, der Kunde möge sich die Filme abholen lassen – ein Service, den wir sowieso schon anbieten. Ein Tipp war: »Die KundInnen können die Filme ja zurückschicken.« Diese »Idee« war natürlich der Brüller. Es wäre völlig absurd, wenn der Kunde mit den zum Versand fertiggemachten Filmen, die er an die »Video Boxx« adressiert hat, in unserem GLS- und DPD-Paketshop auftaucht. Aber ein solcher Rückversand wäre aus Sicht der Behörde gegangen. Noch Fragen ? Bei diesem Tipp erblassen sogar die Schildbürger gerade vor Neid. (grinst). Aber vielleicht wollte man mir so sagen: »KundInnen sollen mit einem Karton in der Hand in die »Video Boxx« kommen.« 

 

Zum Schluss das Thema »Lieblingsfilme«: Welche drei Filmklassiker würdest Du mit auf die einsame Insel nehmen?

 

Meine persönlichen Highlights sind alle drei Teile von »Zurück in die Zukunft«, »Lethal Weapon« und »Yesterday«.

 

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Martin Bockhacker, Bildplantage13Interview erschienen in Ausgabe Nr. 14, 2020

 

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© Martin Bockhacker, Bildplantage 13