Mathias Rätsch von FINDORFF GLEICH NEBENAN sprach mit Michael Glotz-Richter über illegales Gehwegparken. Glotz-Richter als Diplom-Ingenieur für Stadt- und Regionalplanung erwiesener Verkehrsexperte. Er hat zahlreiche weit über Bremen hinaus wahrgenommene Pilotprojekte initiiert und auch auf europäischer Ebene geleitet. Michael Glotz-Richter kann auf über 40 Jahre Erfahrung im Bereich Verkehr, Stadtentwicklung und Mobilität zurückblicken. Er war in Bremen seit 1996 als Referent für nachhaltige Mobilität bei der jeweils zuständigen Senatsbehörde tätig. Als Mitglied der »Expert Group on Urban Mobility« (EGUM) der EU Kommission hat er seit 2022 die europäische Arbeitsgruppe zum Thema »Straßenraum« geleitet, deren Bericht im Januar 2025 verabschiedet wurde. Mehr Infos auf www.gloricon.de
Herr Glotz-Richter, wir möchten uns mit Ihnen über aufgesetztes Parken in Findorff unterhalten. Vorweg: Was steht dazu in der gültigen Straßenverkehrsordnung ?
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) bildet das rechtliche Regelwerk für das Zusammenleben auf den Straßen. Die Regeln dienen der Sicherheit und auch dazu, die Bewegungsmöglichkeit für alle im Straßenraum zu gewährleisten. Die StVO gilt überall in Deutschland, auch in Findorff und die StVO ist völlig eindeutig, was die Aufteilung des Straßenraums angeht. Einfach formuliert: Der Gehweg ist ein Schutzraum. Es heißt ja nicht ohne Grund »Gehweg« und »Fahrbahn«: Der Gehweg ist zum Gehen da, die Fahrbahn zum Fahren. Möchte man parken gilt Folgendes: Autos werden am Bordstein geparkt und nicht auf dem Bordstein. So sollten es alle gelernt haben, die einen Führerschein haben – denn genau so steht es im § 12 der StVO, der das Halten und Parken eindeutig regelt.
Gibt es Ausnahmen, die das Parken auf Gehwegen erlauben ?
Gehwegparken ist nur dort erlaubt, wo das blaue Zusatzschild mit der StVO-Nr. 315 steht. Aber auch dann gibt es Ausnahmen: Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als
2,8 Tonnen dürfen aus gutem Grund nicht auf Gehwegen abgestellt werden – was zum Beispiel viele Wohnmobile betrifft, die wir in Findorffer Straßen abgestellt sehen. Zudem darf auch im Fall von angeordnetem Gehwegparken mit Zeichen 315 nicht über Hydranten und Absperreinrichtungen geparkt werden. Warum ? Auch bei legalem Gehwegparken muss die Feuerwehr schnell herankommen, wenn es brennt – um das Gas abzustellen und zusätzliches Löschwasser nutzen zu können. Leider werden in Bremen auch diese StVO-Regeln nicht eingefordert.
Blick zurück in die Vergangenheit: 2019 wurde durch den Beirat Findorff bei der Verkehrsbehörde ein Betriebsplan zur Einführung von »Bewohnerparken« angefordert, für dessen Erstellung Sie mitverantwortlich waren. Im Quartier an der Bürgerweide sollte durch dieses Instrument der Parkraum neu geordnet und als »privilegiertes Parken« für die Anwohnerinnen kostenpflichtig werden. Im Verlauf der Planung kam ein zweites Quartier an der Admiralstraße dazu. 2021 wurde der Betriebsplan im Beirat präsentiert. Es gab es eine Bürgerbeteiligung vor Ort und im Internet. Nachdem diese erfolgt war, schaltete Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sich in den Prozess ein. Alls Gegenentwurf zum Konzept »Bewohnerparken« der zuständigen Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (GRÜNE) lancierte er im »Weser Kurier« sein Konzept »Parkfrieden«. Rückblickend betrachtet: Wie bewerten sie diese Intervention durch das Konzept »Parkfrieden« aus heutiger Sicht ?
Meine fachliche Einschätzung ist die gleiche wie bei der plötzlichen Veröffentlichung dieses nicht abgestimmten Papiers: Es ist zum Wahlkampf produziert worden und fachlich vielfach gar nicht umsetzbar. Das Papier war politischer Populismus – und hat leider zu einem weitgehenden Stillstand verkehrspolitischer Lösungen geführt; so wie Innensenator Mäurer gesagt hatte, »Wenn wir uns nicht einigen, bleibt alles so wie es ist.« Die zuvor gefundenen, übergreifenden Vereinbarungen zwischen den Ressorts wurden durch Mäurers Intervention zur Makulatur. Es ist schon traurig, dass erst das oberste deutsche Verwaltungsgericht das Einhalten der Regeln bei einer Behörde anmahnen muss. Das Innenressort hat die Straße zu einem weitestgehend rechtsfreien Raum werden lassen – und sich im Wahlkampf nicht getraut, wieder die geltenden Rechtsprinzipien einzufordern.
Im gesamten Verlauf der Planungen gab es einige parteipolitische Spielchen. Im Mai 2023 war man endgültig im Wahlkampf in Bremen angekommen. Auf der Beiratssitzung mit über 300 BürgerInnen im Kulturzentrum Schlachthof kam es zum finalen Showdown zwischen dem Innensenator und der Mobilitätssenatorin. BILD schrieb damals: »Die GRÜNEN-Politikerin wollte das aufgesetzte Parken im Stadtteil komplett verbieten, Mäurer es da erlauben, wo es niemanden behindert. So fallen nur ein Bruchteil der Parkmöglichkeiten weg.« An diesem Abend stimmten in einer von einem SPD-Beiratsmitglied vorgeschlagenen »spontanen« Abstimmung SPD, CDU und FDP für den Plan des Innensenators und GRÜNE und LINKE dagegen. Wie haben Sie diese Beiratssitzung erlebt ?
Dieser »Showdown« war Populismus für den beginnenden Wahlkampf. Es wirkte, als sei das Ergebnis vorher bereits abgestimmt gewesen. Letztlich hat das Ergebnis genau den Stillstand gebracht, den der Innensenator vor der Wahl beabsichtigt hatte.
Nach der Bürgerschaftswahl 2023 wurde Özlem Ünsal Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Politisch wurden das Konzept »Parkfrieden« aus dem Innenressort und das Konzept »Bewohnerparken« der Senatorin Maike Schaefer offiziell politisch beerdigt. Letztere war nach der Wahl zurückgetreten. Durch den langjährigen Prozess wurden Steuergelder verbrannt – ohne dass es bis heute auch nur irgendein konstruktives Resultat für Findorff gibt. Wie lässt sich das rechtfertigen ?
Es gibt nicht nur eine Vielzahl an mit dem Innenressort abgestimmten Planungskonzepten – sondern auch an politischen Beschlüssen der Bürgerschaft. Die reichen vom Verkehrsentwicklungsplan bis zum Bürgerantrag »Platz da !«, in dem der Senat aufgefordert wurde, bis Ende 2022 in den innenstadtnahen Quartieren Parkraumbewirtschaftung einzuführen. Innen- und Mobilitätsressort hatten im November 2022 gemeinsam einen Vier-Punkte-Plan erarbeitet – pünktlich zum Gerichtsverfahren zum Gehwegparken. Laut Plan sollten Straßen mit Restgehwegbreiten von unter 1,10 m bis Mitte 2024 bearbeitet werden. Davon sind wir heute immer noch Lichtjahre entfernt. Stattdessen wird homöopathisch an einzelnen Straßen und nur mit Blick auf die Restfahrbahnbreiten gearbeitet, damit zumindest Feuerwehr und Müllabfuhr durchkommen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Von freien Gehwegen ist immer noch keine Rede. Genau die fordert aber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes. Auch der Innensenator hat einen »Bremer Abschlepperlass«, der seit 2021 die Voraussetzungen für das Abschleppen von GehwegparkerInnen formuliert: »Bei einer Unterschreitung von einer Restgehwegbreite von 1,50 m ist davon auszugehen, dass ein Gehweg nicht mehr barrierefrei genutzt werden kann« – so dass nicht nur abgezettelt, sondern auch abgeschleppt werden kann. Insgesamt gibt es ganz klare Aussagen, aber sie werden selbst innerhalb von Behörden und Politik nicht ernst genommen. Die Planungen
für rechtskonformes Parken in Findorff waren und sind da. Es fehlt aber der Mut, endlich die Umsetzung zu forcieren – und wie wir gesehen haben: auch im Beirat.
Bremer BürgerInnen hatten zugleich gegen die sogenannte »Duldung« des illegalen Gehwegparkens in Bremen geklagt. Der mehrjährige Prozess wurde vor Gericht auch von Innenressort und Verkehrsbehörde durch alle Instanzen geführt. 2024 hat das Bundesverwaltungsgericht als letzte Instanz entschieden. Sie waren an mehreren Prozesstagen vor Ort anwesend. Wie kann man das komplexe Urteil im Kern in wenigen Sätzen zusammenfassen ?
Das Urteil ist absolut richtungsweisend. Die Behörden können die allgemein geltenden Regeln der StVO nicht einfach weiter ignorieren. Es gibt einen Rechtsschutz für Betroffene, wenn Behörden durch Nichtstun bei dauerhaftem illegalen Parken einen rechtsfreien Zustand im Straßenraum herbeiführen. Dafür muss die Situation in der eigenen Straße unzumutbar für den Fußverkehr sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu kein fixes Maß angesetzt. Das Innenressort hat aber bereits das Unterschreiten von 1,50 m verbleibender Breite als nicht mehr barrierefrei festgelegt und damit für das Abschleppen definiert. Jedoch können die Behörden bei beklagten Straßen erstmal auf weiterführende Quartierskonzepte und andere Straßen verweisen, die aufgrund einer noch prekäreren Situation zuerst angegangen werden müssen. Die Konzepte dürfen aber nicht nur Papiertiger bleiben, sondern sollten nachvollziehbar und zeitnah umgesetzt werden. Ansosnten droht die nächste Klage.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2024: Was können betroffene BürgerInnen gegen chronisch zugeparkte Gehwege vor der eigenen Haustür unternehmen, damit das Ordnungsamt nicht mehr »duldet«, sondern endlich auch konkret handelt ?
Wenn die Situation durch dauerhaftes Gehwegparken unzumutbar ist, sollten das Amt für Straßenverkehr (ASV), das Ordnungsamt und natürlich auch das Ortsamt angesprochen und formal zum Handeln aufgefordert werden, um das geltende Recht auch umzusetzen. Die Straßenverkehrsbehörde muss einen Bescheid dazu erteilen, der dann beklagt werden kann. So war es auch im Klagefall zum Gehwegparken. Es ist zu erwarten, dass hier zunächst weiter auf die weiterführenden Konzepte verwiesen wird, die aber auch endlich eingeleitet und umgesetzt werden müssen. Bei der derzeit laufenden homöopathischen, extrem langsamen Vorgehensweise sind die nächsten Klagen der betroffenen BürgerInnen ziemlich sicher zu erwarten.
Sie sagen: »Die Politik gibt den Kurs vor und bestimmt, ob geltende Regeln eingehalten werden.« Wie in vielen Städten haben wir auch in Bremen eine Parkraum-Anarchie. Der Innensenator zeigt viel Verständnis für die Parkprobleme von AutofahrerInnen und lässt nicht konsequent Strafzettel schreiben oder abschleppen, wenn die Autos die Gehwege versperren.« »Parkraum-Anarchie« ist ein harter Vorwurf. Ist die aus Ihrer Sicht auch nach dem Gerichtsurteil weiterhin gegeben ?
Anarchie ist definiert als »Herrschaftslosigkeit« – und genau das haben die Gerichtsurteile am bestehenden Zustand kritisiert. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Peter Sperlich, hat bei der Verhandlung zum Gehwegparken gesagt, dass das Bundesrecht eindeutig ist, aber einfach ignoriert und nicht vollzogen wird. Wenn sich dann jeder sein eigenes (Park-)Recht gemacht hat – und zudem noch glaubt, daraus ein Gewohnheitsrecht ableiten zu können – dann ist das Parkraumanarchie. Die Gerichte mahnen nun die Rückkehr zu den Rechtsprinzipien an – auch wenn dieser Weg kein leichter sein wird.
Wenn die zuständige Innenbehörde Verkehrsregeln über Jahre nicht konsequent durchsetzt, machen sich Menschen nach dem Motto »Das haben wir doch immer so gemacht.« ihre eigenen Regeln. Ist das nicht menschlich verständlich ?
Es ist mit FalschparkerInnen wie in der Kindererziehung: Wenn wir den 14-jährigen sagen, sie sollen um 22:00 Uhr zu Hause sein und man fordert diese Vorgabe nicht konsequent ein, dann darf man sich nicht wundern, wenn sie jedes Mal später nach Hause kommen. Wir haben bei beiden Themen das Problem, dass wir wieder auf das geltende Maß kommen müssen. Das geht bei Kindern wie bei FalschparkerInnen natürlichh nicht ohne Murren ab – ist aber erforderlich. Es ist schon traurig, dass ein Bremer Innensenator, der bei anderen Themen durchaus klare Kante zeigt, hier in seinem Wahlkreis nicht den Mumm hat, die Parkraumanarchie anzugehen.
Nach Schätzungen der Verkehrsbehörde parken täglich 50.000 Fahrzeuge im Bremer Straßenraum verkehrswidrig. Wie stehen sie zur richtigen physikalischen Erkenntnis des Innensenators, dass sich diese Fahrzeuge nicht »in Luft auflösen« ?
Wenn das Weserstadion ausverkauft ist, werden auch nicht die Treppen und Notausgänge mit weiteren Zuschauern besetzt. Wenn es voll ist, dann ist es voll. Es gibt im Wesentlichen zwei Wege, mit der Zahl und dem Platzanspruch umzugehen: Die Autos werden woanders geparkt, zum Beispiel in Quartiersgaragen. Der zweite Weg ist die Förderung von »Carsharing« als Alternative zum Autobesitz. »Carsharing« nutzen rund 30.000 Menschen in Bremen – und ohne dieses Angebot hätten wir ca. 10.000 Autos mehr auf den Straßen. Übrigens: Wenn Sie den gleichen Entlastungseffekt mit Quartiersgaragen hätten erreichen wollen, wäre das eine Investition von über 200 Millionen Euro. Für die Anlage der »mobil.punkte«, Kampagnen und die verwaltungsseitige Begleitung hat Bremen hingegen in den über 25 Jahren der Carsharing-Förderung nur zwischen ein und zwei Millionen Euro aufgewendet, die sehr effizient durch die Nutzungsgebühren an den »mobil.punkten« gegenfinanziert werden.
Welche Hoffnung haben sie, dass massives Falschparken in Bremen zukünftig verstärkt unterbunden werden könnte ?
Das Falschparken als Parkraumanarchie ist durch jahrelanges Weggucken der Behörden entstanden. Politische Beschlüsse zum Gegensteuern gibt es mehrfach. Sie werden aber seitens des Innenressorts nicht umgesetzt. Die Stadtbürgerschaft hat im November 2020 beschlossen, dass die geltenden Parkverbote durchzusetzen sind. Dazu sollten bis Ende 2022 für die Überwachung des ruhenden Verkehrs mindestens 100 Außendienstkräfte erreicht werden. Davon ist Bremen meilenweit entfernt.
Gibt es in Findorff bisher nicht genutzte Parkplatzreserven ?
Es gibt Reserven verschiedener Art. Das Parken in den Straßen kann effizienter sein. Langzeitparkende Wohnmobile könnten woanders abgestellt werden, als in den Quartiren. Gestaffelte Anwohnerparkgebühren nach Fahrzeuglänge würden weniger raumgreifende Fahrzeuge attraktiver machen. An rund zehn Monaten im Jahr ist die Bürgerweide mit genügend bestehendem Parkraum verfügbar, um Alt-Findorff vom Gehwegparken zu befreien. Auch sind gewerbliche Parkplätze, die nachts nicht genutzt werden, eine Reserve, wenn zeitlich auch auf nachts und das Wochenende begrenzt. Zu Quartiersgaragen muss eine unbequeme Wahrheit klar ausgesprochen werden: Die funktionieren nur mit Parkraumbewirtschaftung, wenn Regeln konsequent eingefordert werden. Man parkt im Vergleich mit dem illegalen Zustand nicht mehr vor der Tür, also unbequemer. Andere Städte zeigen uns, dass ein Umsteuern gut funktioniert.
Wann und von wem sollen eigentlich Quartiersgaragen in Bremen gebaut werden, die von SPD, CDU, FDP und GRÜNEN seit Jahren gefordert werden, um den Parkdruck zu mindern ?
Quartiersgaragen sind eine ziemliche Investition. Bei Hochgaragen muss man von mindestens 20.000 bis 25.000 Euro ausgehen – pro Stellplatz ! Tiefgaragen sind deutlich teurer. Die Kosten hängen ab von dem Zuschnitt des Grundstücks und der Gestaltung. Dazu zählen Kriterien wie der Lärmschutz und die städtebaulicher Einbindung oder eine Fassadenbegrünung. Wenn man eine derartige Investition auf die Lebensdauer herunterbricht und die laufenden Betriebskosten hinzurechnet, sind die Mieten sehr schnell im Bereich in die Richtung von 100 Euro und mehr im Monat. Die Vermietung kann sowieso nur funktionieren, wenn das Straßenparken auch etwas kostet. Über Kostenmodelle kann zwischen Kurzzeit- und Langzeitparken gesteuert werden. Auch könnte eine Quersubvention in die Betriebsmodelle einbezogen wird: Ggf. macht das teurere Straßenparken so die Quartiersgarage günstiger. Niemad kann erwarten, dass der angespannte Haushalt in Bremen das Parken in größerem Umfang subventionieren kann. Bislang wurden in der politischen Diskussion Quartiersgaragen wie vorweihnachtliche Wunschzettelbausteine gehandhabt – ohne jedoch über die Finanzierung zu sprechen. Fazit: Das »Umsonstparken« auf der Straße ist der Tod einer jeden Quartiersgarage. Das ist so, als ob Sie eine Kneipe eröffnen wollten – wenn es draußen 24/7 Freibier gibt. Dann wird das mit Ihrer Kneipe auch nichts.
Konsequente Kontrollen des Parkraums kosten Geld, bringen aber auch Geld ein. Wie hoch ist in Bremen die Manpower an KontrolleurInnen – auch im Vergleich zu anderen Städten ?
Wie gesagt: Die Stadtbürgerschaft hatte 2020 beschlossen, 100 Überwachungskräfte anzustreben und wollte den Fortschritt in Berichten in der Deputation darstellen. Der Controllingbericht 2023 zeigt aber nur einen Planwert von 25 Vollzeitequivalenten im Bereich der Verkehrsüberwachung für das Ordnungsamt. Andere Städte sind sehr viel konsequenter. Ob Köln, München, Hannover, Oldenburg: Überall wird illegales Gehwegparken umfassend angegangen. In Hamburg hat der Landesrechnungshof bereits vor Jahren das Kontrollieren der geltenden Parkregeln eingefordert, da statt 46 Mio. Euro nur 9,5 Mio. Euro an Parkgebühren eingenommen wurden. Warum sich in Bremen der Landesrechnungshof auf diesem Auge blind zeigt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Es geht ja nicht primär um Knöllchen, sondern darum, dass die Parkregeln eingehalten und die Parkgebühren bezahlt werden. In Wien sind rund 700 Überwachungskräfte unterwegs. Um bei uns eine vergleichbare Dichte zu erreichen, müssten in Bremen 180 Kräfte auf den Straßen sein. In Wien kann man auch gut sehen, was es bedeutet, wenn Regeln besser eingehalten werden. So sind zum Beispiel Lade- und Lieferbereiche auch für den eigentlichen Zweck verfügbar, während in Bremen die Lieferfahrzeuge oft in zweiter Spur verkehrsbehindernd zu finden sind. Interessanterweise berichteten die Medien über steigende Einnahmen aus Parkgebühren, aber rückläufige Bußgeldbeträge. Das zeigt: Die Regeln werden einfach besser eingehalten. Wien hat auch gezeigt, dass mittels Parkraumbewirtschaftung rund 70.000 Straßenparkplätze frei wurden. PendlerInnen parken nicht mehr in den Quartieren. Garagen werden wieder für Autos genutzt. Die Stadt ist ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Bepreisung des Straßenparkens und der Einforderung der Regeln. Dadurch werden Quartiersgaragen zu einem funktionierenden Geschäftsmodell. Das passiert alles in einem zusammenhängenden Kreislauf, der in Bremen erst noch in Gang gesetzt werden muss.
Der Bestand an zugelassenen Fahrzeugen in Deutschland betrug am 1. Januar 2024 rund 69,1 Millionen und ist im Vergleich zum Vorjahr erneut um rund 688.000 Fahrzeuge gestiegen. Die Prognosen sagen: Die Zahl der Neuzulassungen werden weiter steigen – und dadurch auch der Parkdruck. Ist der fehlende Parkraum in Städten wie Bremen im Grunde nicht ein Wohlstandsproblem, das wir selbst verursachen ?
Das Statistische Landesamt berichtet, dass die Zahl der Pkw in Bremen weitgehend konstant geblieben ist. Am 1. Januar 2023 waren 299.323 Fahrzeuge zugelassen. Damit kommen auf 1.000 EinwohnerInnen 437 Pkw. Findorff hat einen deutlich niedrigeren Autobesitz. Gleichwohl sehen wir, dass der Stadtteil dennoch ein großes Parkproblem hat. Das Problem ist auch deshalb größer geworden, weil immer größere Autos gekauft werden. Die Länge der in der EU zugelassenen Pkw ist in den letzten 20 Jahren im Schnitt um rund 20 cm gewachsen. Überträgt man diesen Zuwach auf Alt-Findorff, wo rund 1.350 Autos gezählt worden sind, sind das 270 Meter mehr beanspruchter Parkraum – diese Länge entspricht einer Seite der Herbststraße, wenn man die aus dem Parken herausnimmt – allein durch größere Autos ! Wo früher zehn Autos parken konnten, finden sich heute noch sechs oder sieben. Auch die Breite, die bei heutigen Fahrzeugen ebenfalls einem Zuwachs um etwa 20 cm hat, ist in den engen Straßen ein Problem, weil gerade die Breiten der abgestellten Fahrzeuge darüber entscheiden, ob das Feuerwehrauto oder die Müllabfuhr durchkommt. Alle wissen eigentlich, dass es so nicht weitergehen kann und rechtlich auch nicht weitergehen darf. Aber es fehlt bei uns der Mut zur Ehrlichkeit, dass die politische Lösung des Problems nur im Management für das Zusammenspiels des verfügbaren Straßenraums erfolgen kann – inklusive Bepreisung, Einhaltung der geltenden Regeln, markwirtschaftlicher Angebote zum Parken und dem gleichzeitigem Ausbau der Mobilitätsoptionen. Bremen kann das – und zeigt gut, dass »Carsharing« funktioniert und als Alternative zum Autobesitz großes Potenzial hat.
Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin Rolfes, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 34, 2025