CHRISTINE SCHÜTZE FEIERT iHR BÜHNENJUBILÄUM IM »ALTEN PUMPWERK«


Ich habe das Klavierspielen immer geliebt.

Christine Schütze ist gebürtige Hamburgerin. Sie studierte an den Musikhochschulen in Hamburg und Lübeck. Als Solistin war Christine Schütze zu Gast bei internationalen Festivals in Deutschland, Italien, Spanien, Belgien, Frankreich, England und der Schweiz. 2016/2017 wurde sie für die Kabarett-Bundesliga ausgewählt. Karten für den Auftritt am Freitag, den 24. Juli 2020 im »Alten Pumpwerk« gibt es über www.altespumpwerk.de. Das nachfolgende Interview ist erschienen in Ausgabe Nr. 10 im Jahr 2019. Mehr unter www.christineschuetze.de

 


Christine, vor zwei Jahren hattest Du einen großen Auftritt im »Alten Pumpwerk«. Jetzt kehrst Du zurück und möchtest gemeinsam mit dem Publikum in der Maschinenhalle wieder kräftig feiern. Was ist der Anlass ?

 

Ja, es gibt viel zu feiern, und ganz besondes die Tatsache, dass ich insgesamt mittlerweile nun schon 15 Jahre Kabarett mache. In dieser Zeit hat sich einiges angesammelt, das ich nochmals zum Besten geben möchte. Ich habe aber auch viele neue Songs und Texte geschrieben, die ich im neuen Programm »SchützenFEST !« jetzt gern »raushauen« möchte.

 

Du beschäftigst Dich nach eigener Aussage mit »der Liebe, den Worten, dem Alltag und den Sprachhülsen, der deutschen Sprache und was man mit dieser wortgewaltig und klavierstimmig alles so machen kann.« Das klingt etwas nach Volkhochschulkurs. Ist beste Unterhaltung garantiert ?

 

Ehrlich gesagt ist das, was ich mache, auch das, was wortaffine KabarettistInnen immer tun: Sie beschäftigen sich mit den Dingen, also mit dem Alltag und den Worten – und wie die sich verändern. Das ist natürlich nicht Volkshochschule, sondern für eine Kabarettistin, wie ich es bin, sehr interessant. Warum passiert gerade »Framing« ?  Heute heißt es »Framing«, früher hieß es »Schönfärberei«. Es ist trotzdem dasselbe. »Framing« macht etwas mit den Leuten. Darauf möchte ich in meinem neuen Programm eingehen – und sich mit diesen Themen zu beschäftigen, kann sehr unterhaltsam sein. Es ist wie immer bei mir: Ich bin lustig, albern, aber auch nachdenklich. Das sind die beiden Seiten, die ich immer hatte – dazu gehören auch die leisen Töne.

 

Ich freue mich, dass Du Plattdeutsch im Programm hast. Büst Du all plattdütsk upwussen oder hest Du Di dat erst later lehrt  ?  

 

Ich bin ein ganz klein wenig mit Plattdeutsch aufgewachsen, weil meine Mutter in der Gegend um Wismar aufgewachsen ist. Sie hat mir ganz viel von Fritz Reuter vorgelesen, dem Dichter und Schriftsteller der niederdeutschen Sprache. Diese Geschichten, aber auch den Klang der Sprache, habe ich immer sehr gemocht. Es wurden bei uns auch manchmal plattdeutsche Lieder gesungen, aber viel mehr war nicht. Insofern verstehe ich zwar Plattdeutsch, aber ich kann Dir leider nicht auf Platt antworten, weil ich kein Plattdeutsch kann. Dialekte wie Plattdeutsch gehen ja anders an Herz und Gemüt als Hochdeutsch. Plattdeutsch mag ich sehr gern, bin als Stadtkind aber nicht damit aufgewachsen und habe es auch nicht gelernt.

 

Schon als kleines Kind hast Du Klavier gespielt. Wolltest Du Klavierstunden oder wurdest Du sanft dazu gezwungen ?

 

Ganz im Gegenteil: Bei uns im Elternhaus stand ein Klavier und später auch ein Flügel. Meine Eltern und mein Bruder waren sehr musikalisch. Bei uns war eigentlich immer Musik im Haus. Was ich sehr geliebt habe, wenn ich abends schon schlafen sollte, war, dass mein Vater im Wohnzimmer leise Klavier gespielt hat. Meine Mutter hat dazu auch gesungen. Ich habe mich oft heimlich an die Treppe geschlichen, zugehört und manchmal sogar geweint, weil ich diese traurigen Liebeslieder so wunderbar fand. Am nächsten Tag wollte ich diese Lieder nachspielen; oft stundenlang. Ich habe nach Gehör gespielt. Es hat zu mir aber keiner gesagt: »Oh, das kannst Du aber toll !«, weil das bei uns alle konnten und es dadurch nichts Besonderes war. Irgendwann fragten meine Eltern mich aber doch: »Möchtest Du vielleicht Klavierstunden haben ?« Ich war bis dahin überhaupt nicht auf diese Idee gekommen, weil ich als Kind gar nicht wusste, dass es sowas gibt. Ja, das wollte ich ! Irgendwann habe ich richtig ehrgeizigen Klavierunterricht bekommen. Später, als ich ungefähr zehn Jahre alt war, hatte ich mit meiner Mutter ab und zu Stress. Sie kam dann in solchen Situationen mit der Drohung, dass mit dem Klavieruntericht auch Schluss sein könnte. Sie tat so, als wenn sie den Unterricht per Telefonanruf für alle Zeiten sofort abmelden würde. Ich habe das als Kind geglaubt und empört gerufen. »Nein, bitte nicht den Klavierunterricht abbestellen !« Meine Mutter wollte das in Wahrheit natürlich nie. Zwang zum Klavierunterricht war also gar nicht notwendig: Ich habe das Klavierspielen immer geliebt. Aber auch wenn diese Begeisterung nicht einfach da gewesen wäre, hätte Zwang bei mir als Kind nicht funktioniert. Ich war immer ein sehr bockiges Kind: Wenn man in meiner Kindheit etwas von mir wollte, musste das meinerseits schon freiwillig geschehen. 

 

Später hast Du als Pianistin bei Jugendwettbewerben viele Preise gewonnen. Inwieweit haben Dich diese Auszeichnungen motiviert, immer weiter zu machen ?

 

Die Preise waren schon eine große Motivation: Wäre ich bei den Jugendwettbewerben frühzeitig gescheitert, hätte ich wahrscheinlich nicht die Idee gehabt, Musik zu studieren. So aber wollte ich unbedingt Musik studieren. Ich habe mich dann nur in Hamburg beworben, was man eigentlich gar nicht so macht.  Normalerweise bewirbt man sich in mehreren Städten. Es werden ja aufgrund der harten Auswahlkriterien nur ganz wenige BewerberInnen genommen. Das wusste ich damals gar nicht. Ich war offensichtlich ziemlich unbedarft, aber es hat im ersten Anlauf über den geraden Weg in Hamburg sofort geklappt. Ich dachte, nachdem ich angenommen wurde »Oh, wie schön !« Später erfuhr ich, dass es auch hätte ganz anders laufen können. 

 

Für die Kabarettprogramme schreibst Du alle Texte und Songs selbst. Mit den klassischen Solokonzerten interpretierst Du vorhandene Werke von Komponisten wie Chopin, Mozart oder Debussy. Was ist für Dich künstlerisch die größere Herausforderung – und ist Kontrast Dein Programm ?

 

Ich brauche und liebe tatsächlich beide Welten: Wenn ich nur eine Sache machen würde, würde mir im Leben etwas fehlen. Mittlerweile ist der Kabarettanteil sehr groß geworden, aber es gibt bei mir nach wie vor verschiedene Phasen: Mal bereite ich ein klassisches Programm vor. Danach steht wieder Kabarett im Vordergrund. Schon im Studium dachte ich immer: »Klassische Musik macht mir Spaß, aber immer nur die Klassik ? Ich weiß nicht...«. Ich bin heute in der glücklichen Lage, dass ich beides machen darf – und das Publikum beides hören möchte. 

 


Bei Frauen interessiert immer auch die Optik.

 

Wann hast Du Dein kabarettischtes Talent entdeckt, bei dem es im Gegensatz zum klassischen Solokonzert ja in erster Linie darum geht, die ZuschauerInnen zum Lachen zu bringen ?

 

Christine Schütze: Das Gefühl für mein kabarettischtes Talent hat sich erst mit der Zeit entwickelt. Am Anfang bin ich einmal in einem Krankenhaus aufgetreten, vor PatientInnen, die als DachdeckerInnen oder MaurerInnen ganz schreckliche Berufsunfälle gehabt hatten. Ich sollte sie mit einem klassischen Konzert aufmuntern. Als ich für das Konzert am Tag zuvor übte, dachte ich: »Mein Gott, ob ein klassisches Konzert diese Menschen wirklich aufmuntern kann ?« Auch weil das Publikum vermutlich nicht unbedingt nur aus KlassikliebhaberInnen bestand, wollte ich etwas machen, was sie heiter stimmen würde. Ich habe dann kurzfristig für das Konzert einen Song geschrieben. Dieser Song war mein erstes, eigenes Lied. Ob es besonders gut war, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Dieses Lied habe ich als Zugabe an das klassische Konzert einfach angehängt und es kam sehr gut an. Ich habe gedacht: »In dieser Richtung könnte ich doch weiter machen.« So ist es auch gekommen, aber diese spontane Zugabe im Krankenhaus war höchstwahrscheinlich eine Art Initialzündung für mich auf dem Weg zur Kabarettistin.

 

Die Presse bescheinigt Dir als Kabarettistin »Hirn und Temperament«. Ist es für Dich schwer, sich in dieser eher von Männern beherrschten Domäne durchzusetzen ? 

 

Das kann ich jetzt schwer beantworten: Wenn man auftritt, ist man ja schon gebucht. Aber wenn Männer Kabarett machen, ist es einfach Kabarett. Wenn Frauen Kabarett machen, ist es automatisch Frauenkabarett. Im Programm erzähle ich eine Geschichte, die wirklich wahr ist: Ich war auf Tournee auf einem Kreuzfahrtschiff und ganz glücklich, weil ich ein schönes Soloprogramm gespielt hatte. Nach dem Auftritt ging ich auf den Außenbereich des Schiffs. Vor mir unterhielten sich zwei Männer, die im Publikum gewesen waren. Der eine sagte: »Wie hat Ihnen das Programm gefallen ?« Da sagte der andere »Also, mir wäre sie zu dünn.« Das ist der Unterschied: Einen Kabarettisten hätte man inhaltlich bewertet und nicht wie er aussieht. Bei Frauen interessiert immer auch die Optik. Aber ich kann nicht sagen, dass ich im Kabarett Nachteile erlebt habe.

 

Aber warum muss man Dir »Hirn« bestätigen, zumal die Erarbeitung von guten Kabarettprogrammen ohne Intellekt und Intelligenz sicherlich gar nicht möglich ist ?

 

Ich empfinde »Hirn und Temperament« als Lob dafür, dass man etwas schlau und gut macht. Es gibt in dem Genre ja auch schlechte KabarettistInnen, die langweilig oder dumm sind.

 

In dem gemeinsamen Programm »BeziehungsWeisen« warst Du mit Sky du Mont unterwegs. Wie habt Ihr Euch gefunden ? 

 

Der Anlauf war auf einer Weihnachtsgala in Hamburg, für die wir unabhängig voneinander engagiert waren. Irgendwann ist er auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob wir etwas zusammen machen könnten. Er würde so gern Lesungen mit Musik geben. Ich habe gesagt, das finde ich gut, aber ich würde höchst ungern folgendes Klischee bedienen: älterer Schauspieler macht irgendwas mit junger Pianistin, weil das immer so ist. Das machen sehr viele; sehr oft auch ältere Schauspielerinnen mit jüngerem Pianisten. Ich würde mit ihm gern etwas Kabarettistisches machen. Er fand die Idee spannend, ich finde, der Ansatz passt viel besser zu dem, was er macht – und es funktioniert.

 

Du bist gebürtige Hamburgerin. Hamburg und Bremen haben ja nicht nur im Fußball so eine Art Rivalität. Kannst Du uns erklären, warum das so ist ? 

 

 ... (lacht und ist kurz sprachlos). Diese Rivalität ist eine alte Kamelle, die heute nicht mehr interessiert. Es gibt ein paar alte Witze darüber, aber das Thema hat sich längst erledigt. 

 

Privat engagierst Du Dich sehr in einem sozialen Projekt für Kinder. Was ist das für ein Projekt ?

 Es ist ein Projekt an einem sozialen Brennpunkt in Hamburg. Wir unterstützen Kinder, die sich keinen Klavierunterricht leisten können. Viele sind Migrantenkinder, die insgesamt in schwierigen Verhältnissen leben und sonst auf der Straße wären. Die Schule, übrigens ein Gymnasium, bietet eine sehr gute »AG« an, in der diese Kinder Klavierspielen lernen. Deren Motivation ist ganz anders, als wenn man gut situierte Kinder privat am Klavier unterrichtet, die dann sagen: »Ach, ich konnte ja gar nicht üben. Ich war ja das ganze Wochenende im Landhaus.« Kinder in unserem Projekt sind auch nach einem harten Schultag begeistert dabei und sagen Sachen wie: »Ich war bei meiner Cousine in der Türkei. Da war ein Klavier und ich konnte den ganzen Tag üben !« Ich bin immer sehr glücklich, wenn ein Kind zum Abschluss vor der ganzen Schule in der Aula ein Stück von Chopin spielt. Diese kleinen, großen Erfolge rühren mich sehr – und man bekommt auch ganz viel zurück. 

 

Interview: Almut Heibült und Mathias Rätsch, Foto: Matthias HornungInterview erschienen in Ausgabe Nr. 10, 2019

 

© Matthias Hornung
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