HELGA BUSCH FÜHRT DIE »KLEINE GALERIE EICHENBERGERSTRAßE«


Ausstellungen mache ich möglich, weil ich es will !

Helga Busch begeistert sich und Andere seit jeher für die Kunst – und möchte in ihrer Galerie die Menschen zusammenbringen. Sie bietet dafür nicht nur bekannten KünstlerInnen ein Forum für Ausstellungen, sondern arbeitet auch selbst als Künstlerin: Helga Busch war einst vor über 20 Jahren in der Malgruppe der Künstlerin Angela Kolter und hat seitdem seitdem viele Fortbildungen gemacht und Zertifikate erworben. Das rote Eckhaus in der Eichenberger Straße 62, in dem sich die Galerie befindet,  hat eine wechselhafte Geschichte. In der Vergangenheit waren im Erdgeschoss bereits eine Bäckereifiliale, ein Bestattungsinstitut und ein Bonbonladen – und seit 18 Jahren gibt es hier die »kleine galerie«. Geöffnet ist freitags von 15:00 bis 19:00 Uhr, samstags von 14:00 bis 18:00 Uhr sowie nach Vereinbarung. Alle Infos unter www.helgabusch.de

 


Helga Busch, Sie führen in Findorff die »kleine galerie eichenbergerstraße«, bezeichnen sich aber nicht als »Berufsgaleristin«. Was sind Sie dann  ? 

 

Ich bin eine »Hobby-Galeristin«. Ich glaube, das ist der richtige Ausdruck. Dieser Begriff entspricht zugleich auch meiner Neigung als Hobby-Künstlerin, die sehr viele verschiedene Dinge im Leben getan hat. In diesem Tun kommt viel »Hobby« vor. Mich stört diese Bezeichnung überhaupt nicht. Man darf mich gern so nennen, nur würde ich diesen Begriff nicht unbedingt außen an die Tür der Galerie hängen.

 

Ihre tatsächlich sehr kleine Galerie an der Ecke Eichenberger Straße/Göttinger Straße kann eigentlich ohne Unterstützung oder Selbstausbeutung nicht finanziell tragend sein. Was motiviert Helga Busch dennoch und wie machen Sie die regelmäßigen Ausstellungen im Stadtteil immer wieder möglich  ?

 

Ausstellungen mache ich möglich, weil ich es will  ! Ich hatte mir von Beginn an vorgenommen, dass ich in Findorff ein Anlaufpunkt für Kunst sein möchte – für den Stadtteil und natürlich auch für die KünstlerInnen, die ich kenne. Mein Ziel war es, einen Raum zur Verfügung zu stellen, der vor Ort für Ausstellungen genutzt werden kann; einen Ort, an dem man sich trauen kann, die eigenen Arbeiten auch zu zeigen.

 

In der »kleinen galerie eichenbergerstraße« haben in den letzten Jahren bisher schon über 70 KünstlerInnen ausgestellt. Welche Auswahlkriterien gibt es, wer bei Ihnen ausstellen darf  ?

 

Es gibt nicht die Kriterien. Es war stets meine Intention Kunst in ihrer ganzen Vielfalt zu zeigen. Mein Anspruch ist es, Kunst zu zeigen, die für die BetrachterInnen interessant ist. Ich finde es für mich wichtig, dass man immer wieder anders an Kunst herangeht und darüber in der Galerie interessante Gespräche stattfinden. Den Dialog der Menschen untereinander zu fördern und Anregungen zu geben: Das ist, was ich möchte. In den vergangenen 18 Jahren habe ich schöne, teilweise anrührende Begegnungen und interessante Gespräche erleben dürfen.  

 

Das heißt, Sie allein entscheiden, wer austellt ?

 

Ja, ich entscheide. Selbstverständlich gibt es auch Bilder, die ich nicht ausstellen würde. Aber ich habe mich davon abgewandt, Kunst auf den ersten Blick bewerten zu wollen. Das tue ich heute nicht mehr. Ich würde mich damit in einen Hype begeben, der keinen Anfang hat, aber vor allem auch kein richtiges Ende. 

 

Jetzt kommt die Frage aller Fragen, mit der wahrscheinlich aussichtslosen Bitte, diese Frage möglichst kurz zu beantworten: Was ist Kunst; oder leicht modifiziert gefragt: Wann ist Kunst gute Kunst und wann ist Kunst keine gute Kunst  ?

 

Darüber habe ich unendlich viele Bücher gelesen, aber die ewige Diskussion darüber, was Kunst ist und was nicht, ist mir zu ausufernd. Ich habe einfach keine Lust darauf. Was ich dazu aus meinen Erfahrungen nur sagen kann ist, dass, wenn man sehr viel Kunst betrachtet und dem Auge sehr viel im Vergleich bietet, stellt sich irgendwann etwas wie eine eigene Sichtweise ein. Dadurch entsteht ein »Erkennen«, das für andere Menschen auf den ersten Blick für eine Bewertung im wahrsten Sinne des Wortes nicht »ersichtlich« ist. Aus dem »Erkennen« würde ich eine gewisse Qualität ableiten; das allerdings sehr vorsichtig.

 

Nach welchen eigenen Kriterien sollte man als KäuferIn Bilder oder Objekte auswählen, um sie bei Ihnen zu erwerben  ?

 

Es kommt darauf an, mit welcher Position Sie in die Galerie kommen. Es gibt einige Sammler, die eine Ausstellung besuchen und ganz klar Bilder oder Objekte auswählen, die sie noch nicht besitzen oder die als Ergänzung zu einer bestehenden Serie gut passen. Es gibt aber auch KäuferInnen, die nicht von sondern mit der Kunst leben wollen. Die suchen sich dann aus, was zu ihnen passt und emotional gefällt. Was einem gefällt hängt nicht selten mit der Situation zusammen, in der man sich befindet. Die Entscheidung gibt oft Hinweise, auf die jeweilige Situation, in der die Käuferin oder der Käufer gerade sind – als Ausdruck der momentanen Befindlichkeit. Das kann eine freudige, Trost suchende, lebendige oder ruhige Situation sein. Entscheidungen ein bestimmtes Bild zu kaufen fallen also sehr individuell und haben oft auch damit zu tun, wie man sich gerade fühlt.

 

Sollte sich gute Kunst jeder leisten können oder ist Kunst eher eine Art »Luxusgut« für Menschen mit zu viel Geld  ?

 

Nein, es kann sich nicht jeder Kunst leisten. Man muss das Geld schon haben. Aber der Kunstkauf funktioniert anders als bei Konsumgütern. Es kann sein, dass die Kunst einen richtig packt. Dann spart man für ein Bild, das man in der Galerie gesehen hat und unbedingt haben muss – und kann das Objekt seiner Begierde bei mir auch in Raten zahlen.

 

Sollte man Kunst auch als Wertanlage betrachten oder ist das eine Illusion, wenn man kein Kunstprofi, sondern letztendlich doch ein nach Gefühl entscheidender Laie ist  ?

 

Wenn man Geld anlegen will, dann hat man ja anscheinend genug Geld zur Verfügung. Dann kann man Kunst sicherlich auch als Anlage nutzen. Aber damit begibt man sich auf einen sehr schwierigen Weg, der dem allgemeinen Publikum in Wahrheit gar nicht offen steht. Kein Experte kann Ihnen über einen Künstler sagen: Der wird mal etwas. Und wenn jemand dann doch etwas geworden ist, kann Ihnen niemand sagen, wie lange bleibt er oder sie das. Lange Zeit galt: Wenn ein Museum Bilder eines Künstlers ankauft, ist dieser in der Kunstszene erfolgreich und hat erreicht, dass er von seiner Kunst gut leben kann. Das ist heute nicht mehr so. Sie werden gehypt oder sie werden es nicht. Wenn KünstlerInnen auf dem Kunstmarkt nicht gehypt werden, können sie von ihrer Arbeit in der Regel nicht leben. Einige vermarkten sich heutzutage selbst über das Internet. Es gibt heute ganz verschiedene Möglichkeiten, den Versuch zu starten, als KünstlerIn zu existieren. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Jemanden, der mit Kunst nur spekulieren möchte, habe ich in der Galerie noch nicht erlebt. Die bessere Empfehlung ist: Man sollte sich seine eigene kleine Kunstwelt selbst gestalten. Das darf man. Früher habe ich zu InteressentInnen gesagt: »Nehmen Sie das Bild, hängen Sie es sich hin und machen Sie etwas damit.« Das sage ich heute so direkt nicht mehr. Aber ich bin überzeugt: Man kann für sich mit der Kunst auch eine Freiheit entwickeln, etwas Eigenes damit zu tun.

 


Die Begeisterung ist mir nicht verloren gegangen.

Warum ist es besser ein Original zu besitzen, statt sich einen günstigen Kunstdruck an die Wand zu hängen – sagen wir etwas ketzerisch beispielsweise einen plakativen, schicken Druck von Yasuto Sasada für 9,99 Euro aus der limitierten IKEA-Kollektion der letzten Saison ? Oder ist das auch in Ordnung ?

 

Es ist alles in Ordnung. Alles ist in Ordnung, was gefällt, gute Stimmung erzeugt und wohl tut. Warum denn auch nicht ? Wenn man sich allerdings mit einem Bild im Vergleich von Druck und Original beschäftigt, sieht man, dass ein Original eine andere Handschrift hat und einen ganz anderen Charakter ausstrahlt. Diese Wirkung hat eine Reproduktion sicherlich nicht. Dennoch: Warum sollte man das nicht tun ? 

 

Ich verrate Ihnen jetzt nicht, welche Bilder in meiner Kindheit wahllos ausgesucht bei uns im Wohnzimmer hingen ...

 

Die Großeltern meiner Generation hatten damals auch alle irgendeinen Druck von einem Worpsweder Ölschinken bei sich an der Wand hängen. Das war und ist absolut in Ordnung.

 

Eine gute Gelegenheit bezahlbare Originale zu entdecken und die KünstlerInnen einmal persönlich kennenzulernen sind die Vernissagen in der »kleinen galerie eichenbergerstraße«, mit denen die vierteljährlich wechselnden Ausstellungen starten. Die Vernissagen kündigen Sie regelmäßig in der Tagespresse und auf www.findorffaktuell.de an. Kann man an einer Vernissage auch ohne persönliche Einladung teilnehmen ? 

 

Man wird auf Wunsch eingeladen, selbstverständlich streng nach der neuen Datenschutzverordnung – ganz so, wie es sein muss (lacht). Selbstverständlich ist mir daran gelegen, dass alle die Information über eine neue Ausstellung bekommen. Wenn Sie zur Vernissage kommen möchten, werden Sie natürlich eingeladen. Aber man muss sich nicht unbedingt anmelden. Wenn man keine Einladung hat, aber kurzfristig dabei sein möchte, dann kommt man einfach spontan vorbei, spricht die freundliche Galeristin an und wird herzlich willkommen geheißen.

 

Wir sagen es nicht weiter, aber Sie sind erstaunlicherweise 74 Jahre jung. Macht man sich da manchmal Gedanken über die Zukunft der eigenen Galerie ?

 

Ich habe mir von Anfang an Gedanken über die Zukunft der Galerie gemacht. Diese Gedanken hängen natürlich auch immer mit meiner eigenen Zukunft zusammen. Zum Spaß, den mir die Galerie immer bereitet hat, gehört auch die Freiheit, selbst zu entscheiden, sie weiterhin zu machen oder eben auch nicht. Jetzt, wo ich auf die 80 zugehe, denke ich manchmal, was ist, wenn mich die Kräfte eines Tages verlassen ? Man muss, um etwas freudig zu tun, ja nicht nur die Neigung, sondern auch die Kräfte dafür haben. Die Begeisterung ist mir nicht verloren gegangen, aber Manches ist anstrengender geworden. So ist das einfach. Ich plane für mich jetzt von Jahr zu Jahr. Ausstellungen, die ich jetzt noch annehme, realisiere ich weiterhin sehr verlässlich, aber langfristig suche ich natürlich eine gute Lösung, wie und von wem diese Räume weiter bespielt werden könnten. Meine Kinder werden die Galerie nicht fortführen. Wenn sich allerdings jemand findet, der die Idee dieser kleinen Galerie weiterführen möchte, um sie weiter für KünstlerInnen nutzbar zu machen – der kann die Räumlichkeiten anmieten. Eine Fortführung würde ich gut finden. Falls das nicht der Fall sein wird, könnte an diesem Ort auch etwas ganz Anderes passieren.

 

Zum Abschluss die Gala-Frage: Welche Bilder hängen eigentlich privat bei Helga Busch in ihrem »Haus im Wald« an der Wand ?

 

Wenn mein Haus viele weiße Wände hätte, dann würden dort als großer bunter Strauss viele ausgesuchte Bilder hängen, die in den Ausstellungen durchgelaufen sind. Da ich allerdings privat sehr begrenzt auf 50 qm lebe, gibt es bei mir nur eine halbe weiße Wand. Auf dieser überschaubaren Fläche hängen ausgesuchte, eigene Arbeiten, die mir heute immer noch gefallen.

 

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin Rolfes, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 7, 2018

 

© Kerstin Rolfes
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